Ein Hort des Widerstands feiert Jubiläum

ROTE FLORA Seit 25 Jahren ist das Gebäude im Hamburger Schanzenviertel besetzt. Einen Mietvertrag lehnen die Hausbesetzer ab

HAMBURG taz | Das Problem hat sich nicht von selbst aus der Welt geschafft: Vor gut zehn Jahren hat der rot-grüne Hamburger Senat die besetzte Rote Flora an den Investor Klausmartin Kretschmer verkauft. Die Idee war, den Konflikt um das autonome Kulturzentrum zu befrieden und aus dem Bürgerschaftswahlkampf herauszuhalten. Das gelang. Trotzdem verlor die SPD damals die Wahl. Jetzt steht das Thema wieder auf der Tagesordnung, denn der Investor will endlich Geld sehen.

Der Name „Rote Flora“ schließt an das 1857 erbaute „Concerthaus Flora“ im Hamburger Schanzenviertel an. Nachdem es zuletzt als Warenhaus genutzt worden war, schlug der Impresario Fritz Kurz 1988 vor, das Gebäude in eine „Abspielstätte“ für sein Musical „Phantom der Oper“ umzubauen: Sechs Stockwerke, 2.000 Plätze und eine Tiefgarage – eines der größten Theater Europas. Den Anwohnern war das zu wuchtig, und sie befürchteten steigende Mieten.

Nachdem es ihnen gelungen war, den Abriss zu verhindern, modelten Interessierte den entkernten Bau in ein Stadtteilzenturm um. Das befristeter Nutzungsvertrag mit der Stadt lief aus, doch die Aktivisten blieben einfach da. Seit dem 1. November 1989 gilt die Flora deshalb als besetzt. Seither ist sie ein Kristallisationspunkt der autonomen Szene in Hamburg.

Hier treffen sich Leute, die sich mit der kommerziellen Verwertung des öffentlichen Raums im Speziellen und dem Kapitalismus im Allgemeinen nicht abfinden wollen. Sie gilt als Symbol für selbstbestimmtes Leben und dient als Ausgangspunkt für vielerlei Proteste.

Die Flora war für den Hamburger Senat ein Ärgernis, weil er sich vorhalten lassen musste, hier existiere ein rechtsfreier Raum. Verträge mit der Stadt zu schließen lehnen die BesetzerInnen prinzipiell ab. Zur Entschärfung der Lage trug nicht bei, dass die Rote Flora beim Umgang mit Drogenkranken praktische Politik machte: Sie richtete einen Druckraum ein.

Der aktuelle Konflikt entzündete sich an dem Kaufvertrag, den der Senat 2001 mit dem Investor Kretschmer abschloss. Er sieht ein Rückkaufsrecht für die Stadt vor, das auf zehn Jahre abgesichert wurde. Als das Ende dieser Frist nahte, begann Kretschmer Verkaufsabsichten zu ventilieren: Er habe eine Firma aus den USA an der Hand, die 19 Millionen Euro zu zahlen bereit sei. Jederzeit könne er eine Räumung durchsetzen.

Um den Verkauf zu verhindern, hat die Stadt die Flora unter Denkmalschutz gestellt und den Bebauungsplan geändert. Darin ist jetzt eine Nutzung als Kulturzentrum festgeschrieben. Außerdem bot der Senat an, das Gebäude für 1,2 Millionen Euro zurückzukaufen. Kretschmer hat zuletzt 5 Millionen Euro verlangt. Gekauft hat er es für umgerechnet 190.000 Euro. GERNOT KNÖDLER