Lukaschenko-Kritiker vor Gericht

Prozess gegen Weißrusslands Ex-Präsidentschaftskandidaten Kosulin eröffnet

BERLIN taz ■ Der weißrussische Oppositionspolitiker und Kandidat bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen, Alexander Kosulin, steht seit gestern in Minsk vor Gericht. Die Anklage lautet auf Rowdytum in zwei Fällen sowie die „Organisation von Gruppenaktivitäten, die die öffentliche Ordnung stören“. Sollte Kazulin verurteilt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahren Gefängnis. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass Kosulin seine Strafe in einem Arbeitslager absitzen wird.

Der frühere Rektor der Staatlichen Minsker Universität und Vorsitzende der oppositionellen Weißrussischen Sozialdemokratischen Partei war am 25. März 2006 verhaftet worden. Kurz zuvor hatte die Polizei einwöchige Kundgebungen auf dem Minsker Oktoberplatz mit bis zu zehntausend Teilnehmern gegen die nachweislich gefälschten Präsidentenwahlen am 19. März äußerst brutal beendet und dutzende Demonstranten festgenommen. Daraufhin hatte Kosulin einen Protestmarsch zu einem Gefängnis organisiert, in dem Oppositionelle einsitzen – eine Aktion, die laut Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Organisation von Unruhen erfüllt.

Bekanntschaft mit Polizeischlagstöcken und Gefängnis – im Land des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko gängige Mittel im Umgang mit Oppositionellen – hatte Kosulin schon vorher gemacht. Anfang März war der 50-Jährige von der Polizei geschlagen und kurzzeitig festgenommen worden, weil er versucht hatte, sich Zutritt zu einer von der Regierung organisierten Konferenz zu verschaffen. Dort hatte er gegen den Präsidenten sprechen wollen.

Gleich nach seiner Festnahme am 25. März hatte Kosulin die Anschuldigungen als krude Provokation und Verfälschung von Tatsachen bezeichnet, die das Ziel hätten, einen politischen Widersacher zu eliminieren. Gestern erklärte Kosulin kurz nach Beginn der Verhandlung, er erkenne die Richter wegen Befangenheit nicht an.

Kosulins Ehefrau Irina hat ihren Optimismus offensichtlich immer noch nicht verloren. „Ich hoffe auf ein gerechtes Gericht, das meinen Mann freispricht und sich entschuldigt“, sagte sie gegenüber der weißrussischen Ausgabe der Zeitung Komsomolskaja Prawda. Doch danach sieht es nicht aus. Zwar ist der Prozess öffentlich. Zahlreichen Journalisten und Angehörigen Kosulins wurde gestern jedoch der Zutritt zum Verhandlungssaal verwehrt. BARBARA OERTEL