Millionenfacher Betrug am Telefon

WERBUNG Trotz Gesetz kommt es häufig zu illegalen Anrufen und Vertragsabschlüssen. Was tun?

STUTTGART taz | „Sie alte frigide Schlampe, seien Sie doch froh, dass Sie jemand anruft“: Mit diesem Beispielzitat hat die Verbraucherzentrale am Mittwoch verdeutlicht, wie ungemütlich Telefonwerbung sein kann. Insbesondere wenn sich die Angerufenen wehren. Seit August 2009 sind solche nervigen Anrufe verboten. Ein knappes Jahr später zeigt eine Bilanz der Verbraucherzentrale und des baden-württembergischen Verbraucherministeriums, dass das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung kaum Verbesserungen gebracht hat.

Die damalige große Koalition hatte mit dem Gesetz das Widerrufsrecht gestärkt, die Rufnummernunterdrückung verboten und Bußgelder bis zu 50.000 Euro eingeführt. Dennoch sammelten die Verbraucherzentralen allein innerhalb von vier Monaten über 40.000 Beschwerden. Bei zwei Dritteln geht es um Gewinnspiele oder Lotterien. Typisch seien Anrufe, die für Gewinnspiele werben und dabei die Kontoverbindungen abfragen. Auch die Qualität der Anrufe nehme zu. So reagieren inzwischen Anrufautomaten auf Antworten der Verbraucher. Die merkten dadurch oft erst spät, dass es sich um ein Band handelt. Auch würden weiter Rufnummern unterdrückt.

„Wir haben es hier mit einem millionenfachen Betrug zu tun“, sagte Gerd Billen von dem Bundesverband Verbraucherzentrale. Das Bundesjustizministerium müsse die Verbraucher vor den Methoden schützen. Ein einfaches Werkzeug sei die sogenannte Bestätigungslösung. In diesem Fall müssten Vertragsabschlüsse erst schriftlich von den Verbrauchern bestätigt werden, bevor Geld eingezogen werden darf. Somit müssten nicht die Verbraucher aktiv werden, um einen Vertrag zu widerrufen und ihr Geld zurückzubekommen.

Zusätzlich fordern die Verbraucherschützer, dass die Bußgelder auf bis zu 250.000 Euro erhöht werden und eine einmal getätigte Einwilligung für Werbung nicht lebenslänglich gilt, sondern beispielsweise nach einem Jahr erlischt. Im Justizministerium hieß es dazu auf taz-Anfrage: „Wir evaluieren gerade selbst das Gesetz. Konkrete Pläne zur Veränderung gibt es noch nicht“, so ein Sprecher. Als schnelle Lösung empfiehlt Billen so lange: „Einfach auflegen.“

NADINE MICHEL