Brutale Landschaften

KUNST Die Galerie Mitte in Bremen zeigt in ihrer Ausstellung „Landschaft – Berührt“ Positionen zu Landschaft und Natur. Dabei geht es keineswegs um Authentizität

■ ist Mitbetreiber der Galerie K’ – Zentrum Aktuelle Kunst und schreibt als freier Autor über Kunst und Literatur.

VON RADEK KROLCZYK

Seit vielen Jahren betreibt Uwe Mokry in Hamburg die Galerie Basta. Einige seiner Künstlerinnen und Künstler stellen zurzeit ihre Arbeiten in der Bremer Galerie Mitte aus. Unter dem Titel „Landschaft – Berührt“ sind dort insgesamt fünf Positionen auf Papier und eine Videoarbeit zu sehen. Allen ist gemeinsam, dass in ihrem Werk die Themen Landschaft und Natur einen zentralen Platz einnehmen. Mokry hatte die Schau gemeinsam mit Ele Hermel von der Galerie Mitte kuratiert. Ein Vorgriff auf den Kunstfrühling im folgenden Frühjahr? Hamburg ist 2014 die Gaststadt auf der Bremer Großausstellung. Möglich.

Wichtiger aber ist wohl das Thema der Landschaft. Denn die Ausstellung lehnt sich an eine große Schau in der Bremer Kunsthalle an. „Lass Dich von der Natur anwehen“ ist ihr Titel. Gezeigt werden dort künstlerische Auseinandersetzungen mit Landschaft und Natur. Die Schau legt in der Romantik los, zeigt gotische Kirchenruinen in Wäldern, Seelandschaften und Bilder deutscher Italienreisender des 19. Jahrhunderts. Es sind Bilder von Kontemplation, Spiritualität, Hoffnung und Sehnsucht.

Sie zeigt allerdings auch einige aktuelle Positionen, eine davon ist die Zeichnerin Nanne Meyer. Zu sehen ist dort von ihr ein riesiges schwarzes Blatt mit einer silbernen Landschaft. Bereits 2004 ehrte die Kunsthalle Meyer mit einer Einzelausstellung. Erst vor wenigen Wochen wurde die 1953 in Hamburg geborene Künstlerin mit dem nordrheinwestfälischen Kunstpreis ausgezeichnet. Einige ihrer Arbeiten hängen nun auch in der Galerie Mitte.

Meyers Zeichnungen erinnern an Luftbilder, Landkarten oder Satellitenaufnahmen. Kleine Rechtecke sind zu Siedlungen gruppiert, manche Linien sehen aus wie Straßen, Aussparungen könnten Felder darstellen oder stehende Gewässer, stellenweise schieben sich Wolkenpartien zwischen den Betrachter und die Landschaft. Die Zeichnungen haben auch meteorologische Momente. Verschiedenfarbige, geschwungene Linien scheinen Hoch- und Tiefdruckgebiete oder Meeresströmungen zu beschreiben.

Mit Realismus oder Wissenschaft indes haben die Zeichnungen nichts gemein. Die Landschaften sind ausgedacht. Es gibt keine Proportionen, vieles erscheint unlogisch. Hermel bezeichnet die Zeichnungen als narrativ: „Es ist, als würde Nanne Meyer ihre Landschaften erzählen“, sagt sie. Von weiter weg wirken die mit Blei- und Buntstift gezeichneten Bilder informell abstrakt. So, als seien sie spontan und ohne Bezug zur äußeren Wirklichkeit entstanden. Und dann verschwinden die Landschaften ganz.

Hoffmann reist nicht gern. Seine Beschäftigung ist theoretischer Art. Seine Reisen unternimmt er mit dem Finger auf den Seiten der Atlanten

Mit ganz konkreten Landschaften hingegen beschäftigt sich Bogdan Hoffmann. In der Ausstellung hängen einige seiner Seelandschaften, Reiserouten und Ausschnitte aus Globen. Auf diese Weise beschäftigt Hoffmann sich in seinen Arbeiten mit der ganzen Welt. Man könnte denken, er sei viel unterwegs, aber Hoffmann reist nicht gern, wie Hermel erzählt. Seine Beschäftigung ist vielmehr theoretischer Art. Seine Reisen unternimmt er mit dem Finger auf den Seiten der Atlanten. Der 1957 in Polen geborene und seit 1966 in Bremen lebende Künstler bedient sich in seinen Arbeiten unterschiedlicher Drucktechniken wie Holz- und Linolschnitt.

Zum Beispiel dieser lange schmale Streifen Papier, mit den aufgedruckten Gradlinien und den nördlichen Inselgruppen. Alles in dünnen schwarzen Linien, als wäre es eine Zeichnung. Man sieht Spitzbergen, daneben die Franz-Josef-Inseln. Warum die wohl so heißen? Waren die mal deutsch? Haben die mit dem Kaiser zu tun? Warum heißen die noch heute so? Fragen wie diese provoziert Hoffmann in seinen Arbeiten. Man kann seine Arbeiten politisch verstehen. Dass Landschaft berührt, bedeutet hier, dass Landschaft beschäftigt.

Am handgreiflichsten vielleicht wird Landschaft in den Arbeiten von Klaus Hoefs. Seine Grafitzeichnungen haben räumliche Qualitäten. Hoefs, 1961 in Erpen am Teutoburger Wald geboren, beschäftigt sich mit den Extremen der arktischen Landschaft. Polarforscher wie Scott und Amundsen haben in ihren Tagebüchern die Kälte und Dunkelheit beschrieben, die sie letztlich halluzinieren ließ. Hoefs Blätter sind in dicken Schichten mit Grafit bedeckt. Die Oberfläche reflektiert, das Bild wird skulptural. An einigen Stellen ist das Papier durch den Grafitauftrag eingekerbt und beschädigt. In der arktischen Finsternis kommen hier und da helle Stellen zum Vorschein. Sind es Felsen? Oder ist da jemand? Als Sehnsuchtsort verschwindet die Natur bei Hoefs. Sie wird zum brutalen Monster, an dem die Menschen irre werden. Auch so kann Natur berühren.

■ bis 26. 1., Galerie Mitte im KUBO