urdrüs wahre kolumne
: Aus dem Raumschiff

Ein bisschen Eierei ist schon dabei, wenn die Bremer Grünen jetzt zu ihrem neuen Papier zur Ausländerpolitik ihren Matthias Güldner feststellen lassen, dass Ausländer zwar nicht notorisch kriminell seien, es aber genauso falsch wäre, „den Eindruck zu erwecken, sie seien Heilige, die nur unterdrückt sind und diskriminiert werden.“ Mit dem Trick, eine unsinnige Behauptung aufzustellen und diese als bisherige Quintessenz linker Positionen darzustellen, kann man freilich schnell von eigenen Traditionen abrücken und dies als Besinnung auf die schiere Vernunft verkaufen …

Wieder lese ich in der taz nord vom Verkauf eines christlichen Gotteshauses, diesmal in Hannover, und wieder frage ich mich, bei welchem Makler solche Objekte zu finden sind. Seit ich als 20-Jähriger voller Faszination den Film „Alice‘s Restaurant“ gesehen habe, ist es mir Wunsch und Lebenstraum, ein solches Objekt zu erwerben und darin mit Hanfanbauern und kleinen Hausbrauern Erntefest zu feiern und ansonsten dort neben flammenden Bußpredigten und visionären Gottesdiensten einer noch zu gründenden evangelisch-münzerischen Kirche Rituale zur Beglückung der Verstörten und Verdammten dieser Erde durchzuführen. Falls also bei Dir im Dorf ein trutziges Backsteinkirchlein auf Nutzer wartet – bitte Bescheid geben unter Ulrichreineking@aol.com. Es muss nicht gleich der Michel sein …

Im benachbarten Ostwestfalen entdeckte ich dieser Tage eine Kneipe mit dem schönen Namen „Zum seriösen Fußgänger“. Wer sich also gerade mit Fragen gastronomischer Existenzgründung beschäftigt: Außerhalb dieser Region dürfte dieses Wirtshausschild seine Magie auch in Altona ungestraft entfalten können! Dann noch Schaumburger Bier vom Fass und Frikadellen von glücklichen Schweinen dazu und es wäre perfekt.

Ursprünglich war die Musikkulisse vor dem Hamburger Hauptbahnhof ja als Mittel der Obdachlosen- und Suchtkranken-Vergrellung gedacht – inzwischen aber hat die Beschallung ein mitunter derart hohes Niveau erreicht, dass sie von der Zielgruppe der Akustik-Offensive inzwischen als Teil des Lebensstandards begriffen wird, wie ich kürzlich in einem Rundumgespräch beim gemeinsamen Verzehr eines Duty-Free-Fläschchens Wodka erfahren durfte. Musik mal wieder als ein Teil von jener Kraft, mit der man Böses will und Gutes schafft

Schon wird wieder die Trommel gerührt für die Kinder- und Jugendtelefone für den Krisenfall der Zeugnisvergabe, und immer noch und immer wieder tut die Lämpelzunft so, als ob das Demütigen und Aburteilen zarter junger Seelen durch Fünfen, Sechsen und Sitzenbleiben, das Selektieren und Degradieren an der Pausenhof-Rampe etwas ganz Normales sei, dessen Folgen man eben beratend begegnen müsse. War dies nicht schon längst mal als Instrumentarium schwarzer Pädagogik entlarvt? Und ist der hier immer noch rege Geist nicht ein durchaus deutscher, der weltweit längst abdanken musste? Du aber, Leserin, die Du Deinen Chablis, das taz-Abo und die Treckingtour durch Tibet in diesem Gewerbe verdienst – erinnere Dich Deiner Anfänge und gib einem jeglichen Deiner Zöglinge wenigstens in letzter Minute noch die Gnaden-Vier.

Derzeit schaue ich mir das Leben auf dieser Erde aus dem Raumschiff des „Herzzentrum NRW“ an und hoffe auf rasche Genesung, auch durch freundlich zugedachte Begleitrituale weißer Frauen, Schamanen und Heiler aus dem Publikum dieser Anschlagtafel des umtriebigen Alltags. In diesem Sinne grüßt ganz und gar hoffnungsvollULRICH „BYPASS“ REINEKING