„Fast alle haben mich respektiert“

Die Straßenfußball-WM endet heute Abend mit dem großen Finale. Der einzigen Frau im bolivianischen Team hat es sehr gefallen, mit den vielen Jungs zusammen zu spielen

taz: Angélica, wie bist du zum Straßenfußball gekommen?

Angélica Garrido Altamirano: Fußball hat mich schon immer begeistert. Ich habe schon als ganz kleines Kind angefangen zu spielen. Das liegt bei uns aber auch in der Familie. Mein Vater hat schon gespielt und meine Mutter auch. In dem Viertel, in dem ich wohne, spielen wir auf einem großen Platz. Wir sind elf Mädchen und spielen gegen elf Jungs. Das ist schon ein bisschen härter. Die kicken viel besser als wir. Oft spielen wir sogar um Geld. Der Gewinn kann bei einem Spiel schon mal ein Euro sein.

Wie gefällt dir die Straßenfußball-WM?

Sehr gut. Es gefällt mir, dass wir vor dem Spiel erst mal die Regeln aushandeln. Wir Frauen wurden sehr stark respektiert. Es ist mir erst ein einziges Mal passiert, dass ein männlicher Spieler mich gefoult hat. Manche Spieler haben kein Gefühl dafür, dass sie gegen eine Frau spielen, die vielleicht ein bisschen schwächer ist. Also gibt es Sonderregeln für Fouls gegen Frauen. Das ist toll, denn eigentlich gefällt es mir, mit den Jungs zusammen zu spielen. Das hat mich schon immer gereizt. Und unsere Mannschaft war sehr gut. Drei Partien haben wir gewonnen und eine verloren.

Die bolivianische Mannschaft wurde vom Kulturzentrum San Isidro in Santa Cruz, der zweitgrößten Stadt Boliviens, zusammengestellt. Wie bist du mit dem Zentrum in Kontakt gekommen?

Sie haben mich entdeckt, als ich bei einem Fußballturnier auf der Straße gekickt habe. Ein Mitarbeiter des Kulturzentrums hat mich gefragt, ob ich bei ihnen trainieren will. Ich habe natürlich Ja gesagt. Also hat er mich in die Gruppe integriert. Das war etwa vor einem halben Jahr. Wir haben sehr hart trainiert. Für mich war das schon eine große Umstellung. Als Frau musste ich zuvor nie so viel trainieren wie jetzt. Sie haben mich aber behandelt, als sei ich ein Mann mehr auf dem Platz.

Du wohnst nicht in der Nähe des Kulturzentrums?

Nein, ich wohne zwei Stunden entfernt – ein ganzes Stück von der Stadt weg. Das Viertel, in dem ich wohne, ist sehr arm. Aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Ich würde sagen, es ist ein bescheidenes Viertel. Die Menschen helfen sich gegenseitig. Es ist sehr feucht im Viertel, das gibt manchmal Probleme. Dann machen wir eine große Versammlung und überlegen, was wir für die Betroffenen tun können.

Bist du für das Training in den vergangenen Monaten jeden Tag zum Zentrum gefahren?

Das habe ich einen Monat lang gemacht, aber die Fahrt war sehr teuer – etwa 2,50 Euro für Hin- und Rückfahrt. Damit könnte man bei uns vier Mahlzeiten bezahlen. Außerdem dauert die Fahrt ja sehr lang. Vier Stunden. Ich musste morgens aus dem Haus gehen und verbrachte den ganzen Tag im Zentrum. Aber das war toll, im Zentrum ist es sehr unterhaltend.

Und als ich irgendwann kein Geld mehr hatte, um die Busfahrt zum Zentrum zu bezahlen, durfte ich einen Monat lang bei einem der Mitarbeiter wohnen. Und die ganze Zeit haben wir trainiert, um hierher nach Berlin zu kommen.

Die Straßenfußball-WM geht heute zu Ende. Wie geht es bei dir weiter, wenn du am kommenden Dienstag wieder in Bolivien bist?

Zu Hause gehe ich zur Schule. Ich bin im letzten Jahr. Danach würde ich gerne studieren. Eigentlich wollte ich Kinderärztin werden, aber seit ich hier bin, überlege ich mir, Sprachen zu studieren. Aber ein Studium ist eben sehr teuer, deshalb bin ich mir noch nicht sicher. Vielleicht muss ich arbeiten und gleichzeitig studieren, damit meine Eltern nicht so viel Geld für mich ausgeben müssen. Zum Studieren müsste ich außerdem nach La Paz gehen – das ist sehr weit weg von zu Hause.

Wirst du Berlin vermissen?

Ja. Ich finde es sehr schön hier. Bevor ich gekommen bin, hatte ich überhaupt keine Vorstellung von einem so schönen Land. Die Sonne geht hier viel später unter, in Bolivien ist schon um 19 Uhr Sonnenuntergang.

INTERVIEW: KARIN SCHÄDLER