Bis zu 16 Stunden im Einsatz

GASTRO Die Situation von Bremer Azubis in Hotels und Gaststätten ist laut einer Gewerkschaftsumfrage erschreckend. Handelskammer sieht keinen Grund, zu handeln

„Die Umfrage ist agitatorisches Gehampel“

Frank-Dieter Lutz, Handelskammer

VON TERESA HAVLICEK

Unterbezahlt und überarbeitet, so schildern Auszubildende aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe in einer Umfrage der Gewerkschaft NGG ihre Situation. 180 Azubis aus Bremen und Umgebung haben sich an der Befragung beteiligt, die am Donnerstag vorgestellt wurde.

425 Euro gibt es im Hotel- und Gaststättengewerbe laut dem aktuellen Manteltarifvertrag im ersten Ausbildungsjahr. Von den befragten Azubis werden lediglich 56 Prozent nach Tarif bezahlt. 75 Prozent arbeiten zwischen 40 und 50 Stunden in der Woche. Beinahe jede Zweite hat angegeben, schon bis zu 16 Stunden am Tag gearbeitet zu haben, Überstunden nicht ausgeglichen oder ausbezahlt zu bekommen und keine regelmäßigen Pausen machen zu dürfen.

„Mit dieser Deutlichkeit haben wir nicht gerechnet“, sagt die NGG-Gewerkschaftssekretärin Iris Höppner. Sie spricht von „erschreckenden Ergebnissen“ und „massiven Gesetzesübertretungen“. Damit meint sie nicht nur Verstöße gegen den Tarifvertrag, sondern auch gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz – neun Prozent der TeilnehmerInnen waren jünger als 18 Jahre.

Missstände gibt es laut Höppner nicht nur bei kleinen Gastronomen, auch bei namhaften Sterne-Hotels und -Restaurants. Die NGG wolle nun stärker über die Rechte von Azubis aufklären. Außerdem hoffe man auf mehr Betriebsratsgründungen – in der Branche bislang eher selten. „Die Leute müssen öfter sagen, unter diesen Bedingungen kann ich nicht bis 67 arbeiten“, meint Höppner. In erster Linie sieht sie aber den Arbeitgeberverband Dehoga und die Handelskammer in der Pflicht. „Unverzüglich“ müssten die in ihren Mitgliedsbetrieben für die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen sorgen.

„Überrascht“ ist man darüber bei der Dehoga. „Normalerweise haben wir bei Missständen einen kurzen Draht zur NGG“, sagt deren Geschäftsführer Jörg Jarchow. Man nehme die Ausbildung des Nachwuchses sehr ernst. Die Gewerkschafts-Zahlen allerdings bezweifelt er: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es solche Ausbildungsverhältnisse tatsächlich gibt“. Auch an der Bremer Handelskammer prallt die Umfrage ab. Als „agitatorisches Gehampel“ bezeichnet sie der stellvertretende Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung, Frank-Dieter Lutz. Zwar sei die Gastronomie eine „harte Branche“, auch gebe es „schwarze Schafe“. „Spezielle Arbeitszeiten“ aber seien üblich im Dienstleistungs- und Servicebereich. Problemfällen gehe die Handelskammer aber umgehend nach. Die Konsequenzen reichten bis zur Untersagung der Ausbildung. Das sei aber eine „Notmaßnahme“, so Lutz, die er noch nie angeordnet habe. Handlungsbedarf sieht er angesichts der Ergebnisse nicht. „Wir ermutigen jeden, uns zu informieren, wenn in ihrer Ausbildung etwas nicht richtig läuft“, sagt Lutz. Eine Ausbildungsberaterin gibt es bei der Handelskammer für die Branche mit bremenweit 870 Azubis.

Agnes Alpers, Abgeordnete im Bundestag für die Linkspartei, erteilt Bremens Hotels und Gastronomie indes die „Note ungenügend“. Dringend müssten die Ausbildungsbedingungen verbessert werden. Am Geld dürfte das nach der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen durch die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht scheitern, so Alpers. In Bremen ist laut Dehoga bislang angekündigt worden, künftig mehr Azubis einzustellen.