Da hilft nur noch Beten!

Vor dem heutigen Spiel um die goldene Ananas gegen Portugal verzögert Jürgen Klinsmann weiter die Verkündigung des offensichtlich Unvermeidbaren: dass er sein zweijähriges Bundestrainer-Volontariat wohl bald beenden wird

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Des Fußballs erfolgreichster Volontär, Jürgen Klinsmann, hat sein WM-Ziel korrigiert. „Wir wollen Dritter werden“, sagte er gestern. Dieses Spiel in Stuttgart „das hat auch was in sich, das hat was für sich“. Nun ja, der Angreifer Miroslav Klose soll am Samstag ein paar Tore schießen, damit er ganz sicher WM-Torschützenkönig wird. Aber viel mehr ist da nicht. „Wir werden uns wirklich alle Mühe geben“, sagte nichtsdestotrotz Klinsmann, den dieses Spiel so sehr interessieren dürfte wie der aktuelle Pegelstand der Spree respektive die Wasserqualität des Wannsees. Spannender ist da die Frage nach Klinsmanns Zukunft. Angeblich stehen 92 Prozent der Bundesbürger hinter dem Bundestrainer, ja sogar die Journalisten liegen ihm zu Füßen, wie ein Reporter in der aktuellen und von Mal zu Mal affirmativeren Fragestunde des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erkannt haben wollte.

Klinsmann ließ sich trotz der Bauchpinselei nicht in die Karten blicken, was einigermaßen absurd ist, weil die Karten längst auf dem Tisch liegen. Sie ergeben ein klares Bild: Der Volontär geht nach 2-jähriger Ausbildung im Eliteinstitut des Fußball-Bundes, er verlässt das Nationalteam, um – dieser Vorgriff in die Zukunft sei erlaubt – „eine neue Herausforderung zu suchen“. Er wolle die Entscheidung nach der WM bekannt geben, nach einer Beratung im Familienkreis, taktierte Klinsmann erneut auf mäßigem Niveau: „Es ist eine Familienfrage, es hat nichts mit irgendwelchen Kompetenzen zu tun.“

Die Familie wird ihm den Wink geben, doch bitte ganz schnell die Zelte in Deutschland abzubrechen und an die Gestaden des Pazifiks zu eilen, wo Klinsmann noch Klinsmann sein darf und das Starbucks Café zu Huntington Beach schon ein warmes Plätzchen für ihn reserviert haben dürfte. Und die deutsche Öffentlichkeit, werden die neuen Fürsprecher fragen, würde er die nicht verprellen, jenen Interessenverbund, der in ihm nun den Heilsbringer erkannt hat? „Druck ist für mich nicht messbar: Ich mache mir keinen Druck.“ Sprich: Umfragen kümmern Klinsmann wenig. Er macht, was er für richtig hält. Und basta. Da können Millionen nach ihm rufen und mag der DFB den roten Teppich ausrollen, „der Jürgen lässt sich davon nicht beeindrucken“, wie auch Noch-DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, ein profunder Kenner des Klinsmann’schen Egos, weiß.

Um die so genannte Philosophie der Nationalmannschaft müsse man sich indes keine Sorgen machen. „Es ist kein Projekt Klinsmann, in keinster Weise“, verkündete der neue Säulenheilige, „wir haben es uns immer zur Aufgabe gemacht, jeden einzelnen Spieler besser zu machen. Dieser Prozess wird immer weitergehen – er ist personenunabhängig.“ Warum Klinsmann nach dieser Erklärung noch immer nicht herausrückte mit der Wahrheit, blieb sein Geheimnis. Sicherlich will er die Mannschaft vor dem immens wichtigen Spiel am heutigen Samstag (21 Uhr, ZDF) nicht verunsichern, ihr gegen Portugal nicht die Gier nach Bronze nehmen, von der die Mannschaft befallen ist, „auch stimmungsmäßig“.

Ja, im Schlosshotel Grunewald, dieser Absteige, in der die Kicker in den vergangenen Tagen in schlimmer Depression dahindämmerten, in diesen finsteren Hallen werde nun wieder gejuxt. Unglaublich. Und auch in Fragen der Rettung des deutschen Fußballs konnte Klinsmann gestern Entwarnung geben: „Am Tempofußball wird immer weitergearbeitet.“ Personenunabhängig, versteht sich. „Es geht weiter nach vorn.“ Bloß mit wem? Man weiß es nicht. Die nächste Woche wird Erleuchtung und Erlösung bringen. Bis dahin werden die Jünger Klinsmanns mobilmachen und ihre Bleib-doch-Kampagne durchziehen. Ihr großer Anführer findet die Huldigungen ganz hübsch; lieber so „als eine Wohnsitzdebatte haben“, ließ er wissen.

Eine Wohnsitzdebatte gibt es nicht mehr, dafür aber das allerletzte Kapitel in der Torwartfrage. Oliver Kahn darf nun doch ran, im kleinen Finale. Warum? „Weil wir ihm das gönnen.“ Jens Lehmann gönnt es ihm auch: „Der Oliver Kahn hat einfach eine maßgebliche Rolle im Hintergrund gespielt.“ Immer gut drauf. Immer beflissen. Immer mit den jungen Spielern am Juxen. „Das ist eine wunderschöne Geschichte, die der Fußball geschrieben hat“, meinte Jürgen Klinsmann. Schöner geht’s wahrlich nimmer. Nur ein Endspiel am Sonntag, das wäre für den Nochbundestrainer „einen Tick“ schöner gewesen.