Großes Beleidigtsein

Tagelang brodelte die Gerüchteküche, bevor Polens Präsident Lech Kaczyński gestern endlich mit einer griffigen Version für seine jüngste Verärgerung herausrückte. Kaczyński hatte sich, wie er sagt, vor allem deshalb über sein satirisches Porträt in der taz geärgert, weil darin auch seine Mutter erwähnt wird. Für ihn gehe dieser Artikel über alle Grenzen und Normen hinaus, „wenigstens in der polnischen Zivilisation“. Der „schändliche“ Artikel betreffe eben nicht nur Politiker, „sondern auch meine Mutter, die keine Politikerin ist“. Kaczyński betonte nochmals, dass er seine Teilnahme am Gipfel des „Weimarer Dreiecks“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac am letzten Montag nicht wegen des Artikels abgesagt habe, sondern wegen einer gesundheitlichen „Unpässlichkeit“.

Nach Einschätzung von Diplomaten hat sich Polen durch die Absage des Weimarer Dreier-Gipfels noch ein Stück weiter in Europa isoliert als bisher schon unter der nationalkonservativen Regierung in Warschau. In einem bisher beispiellosen Schritt warfen alle ehemaligen Außenminister Polens seit der demokratischen Wende 1989 dem Staatschef diese Woche in einem offenen Brief vor, den Interessen Polens zu schaden. Seine kurzfristige Absage des Gipfels mit Merkel und Chirac ohne Nennung ernsthafter Gründe sei eine „Missachtung“ der Partnerländer.

Wie sehr sich Kaczyński über das taz-Porträt geärgert hatte, wurde auf der offiziellen Website des Warschauer Präsidialamts deutlich. Dort wurde die taz mit dem Naziblatt Der Stürmer verglichen. Vorübergehend wurde dazu sogar eine Titelseite des Stürmers auf der Website abgebildet.

Die Spekulationen der polnischen Presse zu Kaczyńskis Ärger über die taz-Satire erhielten durch heftige Reaktionen der Warschauer Regierung diese Woche weitere Nahrung. Die Satire unter dem Titel „Polens neue Kartoffel. Schurken, die die Welt regieren wollen“ schließt mit einer Anspielung auf die Homophobie von Lech Kaczyński und erwähnt, dass sein Zwillingsbruder Jaroslaw, Chef der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), mit der Mutter zusammenlebt, „allerdings ohne Trauschein“.

Weiter angeschlagen wurde das Image Polens im Ausland diese Woche noch durch den Europa-Abgeordneten Maciej Giertych. Der Vater des Warschauer Bildungsministers Roman Giertych von der ultrakatholischen „Liga der Polnischen Familien“ lobte im Europaparlament am Dienstag den ehemaligen spanischen Diktator Franco und rief damit heftige Proteste hervor; von der Warschauer Regierung kam jedoch kein Kommentar.

Offiziell wiegeln Polens Partner in Europa ab. Aber im privaten Kreis räumen europäische Diplomaten ein, dass es immer schwieriger wird, mit der polnischen Regierung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw und Lech Kaczyński zusammenzuarbeiten. Seit ihrem Amtsantritt im Herbst hat diese Regierung schon jede Menge Streit mit der Europäischen Union: bei der Mehrwertsteuer, der Privatisierung der Banken, der deutsch-russischen Gaspipeline, der europäischen Verfassung, dem Euro und bei der Rolle der Homosexuellen in der Gesellschaft.

Deutschland wurde dabei von Warschau häufig besonders stark kritisiert und versuchte sich seinerseits oft als Vermittler. Allerdings könnten die jüngsten Vorfälle ein Signal sein, meint der Berlin-Korrespondent der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.

afp