Proteste im Basar von Teheran

IRAN Streiks der Händler zwingen die Regierung zur Rücknahme einer Steuererhöhung. Die Monopolstellung der Revolutionsgarden und die Wirtschaftspolitik sorgen für Unmut

Für die Opposition bietet der Konflikt ein wichtiges Aktionsfeld

VON BAHMAN NIRUMAND

Der Druck der Basaris im Iran hat die Regierung von Mahmud Ahmadinedschad im Streit um eine Steuererhöhung zum Nachgeben gezwungen. Iranischen Medien zufolge rückte die Regierung am Montag von ihrem Vorhaben ab, die Einkommensteuer für Händler im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent zu erhöhen.

Die Ankündigung hatte zunächst heftige Proteste der Basaris hervorgerufen. Da aber die Regierung nicht zum Nachgeben bereit war, griffen die Basaris zum letzten Mittel. Zwei Tage lang blieben vergangene Woche größere Teile des Basars geschlossen. Wie üblich versuchte die Regierung, die Händler mit Gewalt zum Öffnen ihrer Geschäfte zu zwingen. Schlägertrupps, gestützt von Polizei und Sicherheitskräften, brachen in die Geschäfte ein. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Unbestätigten Meldungen zufolge soll ein renommierter Basari durch Messerstiche getötet worden sein. Dennoch blieben die Händler standhaft.

Der Basar gilt als Hauptschlagader der iranischen Wirtschaft. Doch ein Streik des Basars lähmt nicht nur die Wirtschaft, er hat eine weitaus größere politische Wirkung. Wie die iranische Geschichte zeigt, kann sich keine Regierung, die den Basar zum Gegner hat, halten. So war das Schicksal des 1979 gestürzten Schahs erst dann besiegelt, als auch der Basar aus Solidarität mit den Aufständischen in einen unbefristeten Streik trat.

In der Islamischen Republik gehörte bislang der Basar zu den wichtigsten Bastionen des Regimes. Einzig im Oktober 2008, als die Regierung die Mehrwertsteuer einführen wollte, wurden Proteste der Basaris laut, was die Regierung zu sofortiger Rücknahme des Vorhabens zwang.

Nun scheint der Regierung klargeworden zu sein, dass sie sich gerade in der jetzigen politisch brisanten Situation eine Auseinandersetzung mit dem Basar nicht leisten kann. Die Nachricht von 70 Prozent Steuererhöhung sei ein Missverständnis gewesen, erklärte der stellvertretende Handelminister Mohammad Ali Seighami. In Wirklichkeit gehe es um eine Erhöhung von lediglich 30 Prozent. Doch auch damit wollten sich die Basaris nicht zufrieden geben. Sie kündigten an, nach den Feiertagen am vergangenen Wochenende den Streik fortzusetzen. Ob der Beschluss der Regierung, den Montag und Dienstag „wegen Anstieg der Hitze“ zum Feiertag zu erklären, mit dem Streik des Basars im Zusammenhang stand, bleibt unbeantwortet. Doch die Fürsorge der Regierung, die gerade im Sommer die Einhaltung der Kleidungsvorschriften streng überwacht, scheint recht ungewöhnlich. Und am Dienstag ging der Streik in Teilen des Basars weiter.

Bei den Verhandlungen mit den Streikenden kam die Regierung den Basaris weit entgegen. Man einigte sich auf eine Steuererhöhung von 15 Prozent. Doch damit sind die Beziehungen zwischen Basar und Regierung noch nicht wieder im Lot. Die Monopolstellung der Revolutionsgarden in Politik und Wirtschaft sowie die Unfähigkeit der Regierung Ahmadinedschad zu einer klaren und durchdachten Wirtschaftspolitik erzeugen immer mehr Unmut bei den Händlern. Auch die Außenpolitik, insbesondere das Vorgehen Irans im Atomkonflikt, hat bereits der Wirtschaft des Landes und damit auch dem Basar enormen Schaden zugefügt.

Vor allem die im Juni vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen neuen Sanktionen sowie die zusätzlichen Boykottmaßnahmen von den USA und der EU werden viele Unternehmen in den Ruin treiben. Der Basar, der auf das Export-Import-Geschäft angewiesen ist, wird wohl am meisten darunter leiden. Für die Geschäfte mit dem Ausland sind funktionierende Banken, Kredite, Versicherungen und der Transport von existenzieller Bedeutung. Die aber werden zum erheblichen Teil im Westen boykottiert.

Für die Opposition bietet der Konflikt zwischen Basar und Regierung ein wichtiges Aktionsfeld. Beim Streik der Basaris war gelegentlich der Ruf „Nieder mit der Diktatur!“ zu hören. Oppositionspolitiker Mir Hossein Mussawi warf der Regierung „Dummheit und Dilettantismus“ vor. Sie hätte durch kluge Verhandlungen die Sanktionen verhindern können. Nun müsse sie dem Volk die Wahrheit sagen. Das Volk, das die Folgen der Sanktionen tragen müsse, habe das Recht, über die wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen informiert zu werden. Es müsse wissen, dass die neuen Sanktionen die Arbeitslosigkeit steigern, die Preise in die Höhe treiben, noch mehr Armut erzeugen und das Land weiter in die Isolation treiben werden.