Der Mann für die Ausnahmen

Die Anhänger des SV Werder Bremen hatten schon in der vergangenen Saison nicht viel zu lachen. Doch es gab Ausnahmen und für die war Kevin de Bruyne zuständig, den der damalige Manager Klaus Allofs von der Ersatzbank des FC Chelsea London ausgeliehen hatte. Ausnahmen wie die 39. Minute des Heimspiels gegen den SC Freiburg, als de Bruyne den Ball an der Außenlinie mit einer akrobatischen Bewegung des Fußes knapp oberhalb des Rasens mitnahm. Er legte sich den Ball selbst vor, schüttelte seinen Gegenspieler ab, wählte den richtigen Laufweg zum Strafraum und legte ihn ideal in den Fuß von Mitspieler Niels Petersen. Das war ganz große Fußballkunst.

Auch wenn der heute 22-jährige Belgier hin und wieder seinen Experimentierraum zu stark ausgereizt hat, um zu testen, welche Husarenstücke gegen gestandene Bundesliga-Profis möglich sind, ragte er aus der Bremer Durchschnittsmannschaft so weit heraus, wie es vorher kein Micoud, Diego oder Özil getan hatten. In den Jubel über den Klassenerhalt mischte sich am letzten Spieltag der Saison 2012/2013 die Trauer über die Erkenntnis, auf absehbare Zeit keinen Spieler solcher Qualität im Werdertrikot spielen zu sehen. Denn natürlich wollte Chelsea de Bruyne nun zurück und Werder hatte nicht die finanziellen Mittel, ihn zu kaufen.

Da hatte Klaus Allofs längst beim VfL Wolfsburg angeheuert. Wohl auch, weil er keine Lust mehr hatte, gute Spieler mit viel Glück als 20-Jährige für eine Saison leihen zu können, aber in die Röhre zu gucken, wenn es um einen richtigen Vertrag geht. In Wolfsburg hat sich seine Verhandlungssituation verändert. Der Verein hat zwar genauso wenig Champions-League-Einnahmen in der Hinterhand wie Werder und von großen Transferüberschüssen ist auch nichts bekannt, aber sie haben die Unterstützung des VW-Konzerns.

Nachdem Brasilianer Luis Gustavo, den Allofs für rund 20 Millionen aus München holte, sicherte er sich sich nun für eine geschätzte Ablösesumme von 22 Millionen Euro für fünfeinhalb Jahre die Dienste von Kevin de Bruyne, der sich unter den taktischen Zwängen von Chelsea-Trainer Mourinho nicht so entfalten konnte wie in Bremen. Das ist selbst für Wolfsburger Verhältnisse ein Rekordtransfer. Allofs setzte sich gegen die Konkurrenz aus Dortmund, Schalke und Leverkusen durch, was neben dem Vertrauensverhältnis des Sportchefs zu seinem alten Schützling darauf hindeutet, dass Wolfsburg künftig den Platz hinter Bayern München in der Bundesliga beansprucht. „Wenn VW richtig die Dose öffnet, wird es für alle anderen ungemütlich“, hatte erst kürzlich Dortmunds Trainer Jürgen Klopp gesagt.  RLO