Lara-Mias Eltern verurteilt

KINDESMISSHANDLUNG Hamburger Landgericht verhängt Bewährungsstrafen für beide Angeklagten und bleibt unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft

R. habe das Kind eingesetzt, um sich den Verpflichtungen von Schule und Berufstätigkeit zu entziehen

Die Mutter der unternährten Lara-Mia und ihr damaliger Lebensgefährte sind vom Landgericht Hamburg zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Die 19-jährige Jessica R. erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung, der 22-jährige Daniel C. neun Monate auf Bewährung. Beide hätten, so sagt der Richter, sich wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen und Verletzen der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu verantworten, die Mutter zudem wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Staatsanwaltschaft hatte höhere Strafen gefordert: Zwei Jahre und sechs Monate Haft für Jessica R. und zwei Jahre auf Bewährung für Daniel C.

Lara-Mia war im März 2008 tot gefunden worden – das neun Monate alte Kind wog mit weniger als fünf Kilogramm nur die Hälfte dessen, was für sein Alter normal gewesen wäre. In der anderthalbstündigen mündlichen Begründung fällt mehrfach die Wendung „schwer zu verstehen“. Das gilt für die juristischen Überlegungen – aber auch für das, was in den Angeklagten vorging. So wäre Lara-Mia zwar verhungert, wenn Jessica R. und Daniel C. sie weiterhin nicht ausreichend mit Essen versorgt hätten. Doch ein medizinisches Gutachten ließ ebenso den Schluss zu, dass die Todesursache plötzlicher Kindstod gewesen ist – von daher gilt der Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Auch versuchter Totschlag konnte den Eltern – Daniel C. ist nicht der leibliche Vater, nahm aber dessen Rolle ein – nicht vorgeworfen werden: diese hatten, als sie das Kind tot in seinem Bett fanden, die Feuerwehr gerufen und Wiederbelebungsmaßnahmen versucht.

Schwer nachzuvollziehen ist die Gleichgültigkeit insbesondere von Jessica R., der der Vorsitzende Richter ebenso wie Daniel C. erhebliche Reifedefizite attestiert. R. habe das Kind bewusst eingesetzt, um sich den Verpflichtungen von Schule und Berufstätigkeit zu entziehen. Am Abend des Todes von Lara-Mia habe sie gegenüber ihrer Mutter geäußert, dass ihr künftig 500 Euro Kindergeld im Monat fehlen würden. Zugleich nannte das Gericht die zerrütteten Familienverhältnisse als schuldminderndes Argument – wie solch fatale Ketten, die an den Fall der verhungerten siebenjährigen Jessica erinnern lassen, zu unterbrechen sind, darauf gab es keine Antwort. Jessica R. hat nicht nur Warnungen ihrer Familie ignoriert, sondern auch die für sie zuständige Sozialarbeiterin gezielt angelogen. Warum diese den Zustand des Kindes, das ab August 2007 nicht mehr ordentlich ernährt wurde, nicht erkannte, konnte das Gericht nicht nachvollziehen.

Die Angeklagten nahmen das Urteil an – die Staatsanwaltschaft hat eine Woche Zeit, um Revision dagegen einzulegen. GRÄ