Gedödel, Geplauder und Geknalle

TKKG AUF LSD In der Brotfabrik ist mit „Schwanensee live“ ein hitzeresistentes Bühnenstück zu erleben, in dem die Schwanenwelt durchdreht und das Publikum mit Alkohol freundlich gestimmt wird

Man kann ja dankbar sein, wenn man ins Theater gegangen ist und es nichts gab, was hätte verstanden werden müssen

Wenn die hohe Kultur hitzefrei hat, dann ist die beste Zeit für den höheren Blödsinn. Wenn das Hirn schon halb geschmolzen ist, dann kann man sich auch noch in der Brotfabrik in den kleinen Bühnenraum setzen, wo auch abends eine schöne mittlere Backofenhitze herrscht. Man kann zusehen, wie den Schauspielern der Schweiß an den Schläfen hinunterrinnt, und denken, dass man’s als Zuschauer noch gut hat, denn man bleibt höchstens am Stuhl kleben. Glücklich, wer da eine Pressemappe hat, denn damit lässt sich herrlich Luft fächeln.

Das Stück, das in der weißenseeischen Kulturinstitution das Sommerloch füllen hilft, ist als „Live-Hörspiel“ angekündigt worden, da es ursprünglich (von Georg Bütow und Florian Gysin) als Hörspiel geschrieben und produziert wurde. „Schwanensee live“ also. Man könnte versuchen nachzuerzählen, wovon es handelt. In der Vorankündigung war die Rede von „TKKG auf LSD“, was es irgendwie ganz gut trifft. Drei Jugendliche, sie heißen Silvia, Hansi und Peter, treffen im Park auf eine verstörte Frau, die von einem Schwan angegriffen wurde. Er hat ihr übel ins Auge gepiekt und sowohl Handy als auch Portemonnaie geklaut. Die Freunde machen sich auf, herauszufinden, was hinter der Attacke steckt. Zuerst aber hat Hansi, der auf eine Ballettschule geht, noch eine „Schwanensee“-Aufführung mit viel Gehüpfe zu absolvieren.

Anwesend sind dort auch ein schrill-schwuler Ballettchoreograf und ein Herr im nicht minder schrillen Helge-Schneider-Outfit. Letzterer wird sich mit der Zeit als verrückter Ornithologe entpuppen, der in die Schwanengeschichte mehr als nur ein bisschen verwickelt ist.

Seinen eigentlichen Charme bezieht der Abend mitnichten aus der Handlung; vielmehr scheint diese vor allem erfunden worden zu sein, damit die Beteiligten miteinander Spaß haben können. Zusammen mit der Live-Band, die engagiert Musik zum Stück macht und auch alle Bühnengeräusche wie Türenknarren, Klingeln, Tierlaute und was sonst so anfällt, liebevoll selbst herstellt, beleben immerhin zirka 13 Mitwirkende die Szene, darunter selbstverständlich auch ein Schwan. Eine Erzählerin, die hausfraulich mit Kittelschürze („Modell Erika“) am Bügelbrett steht, umrahmt die Rangeleien auf der Bühne mit Kommentaren, die manchmal zur Sache gehören, manchmal auch Exkurse in die Tierwelt darstellen, und hält den Kontakt zum Publikum, das zwischendurch immer wieder mit kleinen Gewinnspielen motiviert wird.

Der Preis ist immer der gleiche: ein Glas Wodka. Der Stoff ist echt und scheint stark zu sein. Sobald sich das im Raum herumspricht, steigt die Zahl der freiwilligen Quizteilnehmer deutlich an. Übrigens werden die Schauspieler denselben Wodka nach der Vorstellung zum Kauf anbieten, was dann auch die Frage beantwortet, wie so eine verrückte kleine Produktion sich eigentlich finanziert.

Das mit dem Helge-Schneider-Outfit ist übrigens möglicherweise kein reiner Zufall. Auch die Verquickung einer minimal kriminalen Handlung mit einer großen Handvoll Gedödel, Geplauder und Geknalle erinnert an Klassiker wie „Zieh dich aus, du alte Hippe“ oder „Das scharlachrote Kampfhuhn“. Dort hatte es ja auch Kommissar Schneider mit Vögeln zu tun. Einmal übrigens erschrickt man ein bisschen in echt, als nämlich einer der Schauspieler anfängt, Feuer zu werfen. Doch der junge Mann hat alles unter Kontrolle. Gekonnt ist eben gekonnt.

Man kann ja bei dem Wetter dankbar sein, wenn man ins Theater gegangen ist und es dabei gar nichts gab, was hätte verstanden werden müssen. Und dann kommt man mit so einem kleinen irren Grinsen im Gesicht wieder heraus. Schwankend oder nicht schwankend? Das können die anderen besser beurteilen.

KATHARINA GRANZIN

■ Weitere Vorstellungen: 17. bis 18. 7., 28. bis 31. 7., je 21 Uhr