… der Senat?: Den Dschungel in die Großstadt holen
Es ist schon eine Krux mit dem Großstädter und der Natur. An und für sich hat es der mit Autos, Straßen und bebauter Umgebung sozialisierte Mensch ja gern geordnet und reinlich. Statt durch Wiesen zu streifen, legt er sich in angelegte Parks, statt im Wald Rehe und Käfergefleuch zu beobachten, schaut er sich im Zoo Giraffen an. So weit, so erprobt.
Problematisch wird es erst, wenn sich die Natur nicht mehr in den vom Menschen erwünschten Grenzen hält, wie seit längerem zu beobachten: Wildschweine bleiben nicht mehr in den Tiefen der brandenburgischen Wälder, sondern durchwühlen Zehlendorfer Vorgärten. Füchse am Potsdamer Platz! Waschbären in Tiefgaragen unter dem Alexanderplatz! Die Welt gerät aus den Fugen.
Und was tut der überforderte Großstädter in seiner Hilflosigkeit? Er füttert. Hier ein Brötchen fürs Wildschwein am Wannsee, dort Kuchenreste für den Fuchs im Tiergarten, und wer Glück hat, kann ein Foto des vermeintlich possierlichen Tierchens schießen. Er weiß es halt nicht besser, der naturlos Aufgewachsene.
Aber er kann lernen. Das hofft jedenfalls die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und hat ein Faltblatt entworfen mit der Überschrift „Füttern – nein danke!“. „Butterbrot steht von Natur aus nicht auf dem Speiseplan von Wildschweinen“, belehrt eine Verwaltungssprecherin. Gerade im Sommer würden die gut gemeinten Essenseinladungen zum Problem für alle – für Mensch und Tier.
Die Broschüre warnt gar vor „gefährlichen Situationen im Dschungel der Großstadt“ – wenn der Städter auf einmal so tut, als sei er Natur. Doch wie ist das nun zu verstehen? „Dschungel der Großstadt“? Die Dämme sind gebrochen, die Wortwahl verrät: Es ist ohnehin zu spät. Das ungezähmte, wilde Leben ist schon längst da. Kann der Großstädter eigentlich auch weiterfüttern. PEZ Foto: apn
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