LEBENSMITTEL-DISCOUNTER LIDL VERTREIBT DAS „GREENPEACE MAGAZIN“
: Moderner Ablasshandel

Der Coup ist gelungen: Im vergangenen Jahr gab’s für Lidls Obst und Gemüse noch den Greenpeace-Pokal für „Maximale Pestizidbelastung 2005“. Jetzt findet sich bei dem Discounter nicht nur ein kleines Biosortiment. Sondern an der Kasse liegt auch das greenpeace magazin aus.

Ob das wirklich für höhere Auflagen und folglich mehr Geld in den Kassen der Umweltorganisation sorgt, sei einmal dahingestellt. Vielmehr scheint es hier um eine Art modernen Ablasshandel zu gehen, bei dem die solventere Lidl-Kundschaft ihr schlechtes Gewissen über den Einkauf beim billigen Pestizid-Jakob fortan mit dem Erwerb des Gutmenschen-Magazins kompensieren kann. Natürlich besteht darüber hinaus die vage Chance, neue Zielgruppen für Greenpeace’sches Gedankengut zu erschließen. Auch „Greenpeace TV“ versuchte sich 1997 schließlich bei RTL und nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Mit 4,90 Euro passt das zweimonatlich erscheinende Heft auch ganz zum Lidl-Claim „Wir machen die billigen Preise“. Und wenn wirklich wie geplant die übrig bleibenden Hefte kostenlos an Lidl-Mitarbeiter verteilt werden, haben sogar die etwas davon.

Doch der Gewinner ist zunächst einmal ganz klar Lidl. Denn dem Discounter hätte man einen solchen Schritt kaum zugetraut, der Imagezuwachs dürfte entsprechend hoch ausfallen – und steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Auch das ist gute Discounter-Strategie. Wie so etwas geht, hat schon McDonald’s mit seinen Drei-Blatt-Salat-Angeboten gezeigt. Seitdem ist der Besuch beim Fraß-Food-Spezialisten zwar immer noch nicht gesund, aber längst nicht mehr so uncool wie früher.

Für das greenpeace magazin wäre der Lidl-Deal hingegen nur dann von Vorteil, wenn seine unabhängige Blattlinie davon nicht berührt wird. „Auf nach Aldi!“ sollte daher der nächste Schlachtruf für die Hamburger Magazinmacher sein. Damit die nächste Titelseite über belastete Discounter-Ware, Knebelverträge für Lebensmittelproduzenten oder Arbeitsbedingungen bei Billigheimern dort liegt, wo sie hingehört: bei jedem Discounter an der Kasse. STEFFEN GRIMBERG