Wer ist Lech? Wer Jaroslaw?

Der eine hat ein Muttermal und einen Hund, der andere strubbelige Haare und eine Katze: Polens Medien erklären, wie man die Zwillinge unterscheiden kann

WARSCHAU taz ■ Jaroslaw ist der Ältere. Er wurde 40 Minuten vor Lech geboren. Das wissen die meisten Polen, doch wenn die eineiigen Zwillinge nebeneinander stehen, wandert der Blick meist ratlos von einem zum anderen: „Wer ist jetzt welcher Kaczyński?“ Zeitungen geben immer wieder Tipps zu den beiden 57-Jährigen, die seit acht Monaten den Ton in Polens Politik angeben – Lech als Staatspräsident Polens und Jaroslaw als Parteivorsitzender der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und demnächst auch Premier Polens.

Lech hat ein Muttermal auf der Wange und ein zweites an der Nase; Jaroslaw hingegen hat strubblige Haare. Der eine ist verheiratet und hat eine Tochter, der andere ist Junggeselle und wohnt bei seiner Mutter. Lech hat einen Hund, Jaroslaw eine Katze. Immerhin tröstete vor einigen Monaten die Wochenzeitschrift Wprost ihre Leser, gehöre der Unabomber Theodore Kaczyński aus Oklahoma nicht zur polnischen Familie. Erleichtert konnten die Leser aufatmen: Keine Drillinge! Zur Sicherheit publizierte das Blatt aber noch einen Stammbaum, der bis in die Generation der Ururgroßeltern reichte.

Als Lech Kaczynski Ende letzten Jahres die Präsidentschaftswahlen gegen den Favoriten Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform (PO) gewann, stand er im grellen Scheinwerferlicht, knallte die Hacken zusammen und dankte seinem Bruder: „Ich melde: Aufgabe erfüllt!“ In einigen Tagen wird er seinen Bruder zum polnischen Premier ernennen.

Die beiden Zwillinge – deren Sternzeichen auch noch Zwilling ist – sind den Polen schon seit einem halben Jahrhundert ein Begriff. 1962 traten sie als Lausbuben und Kinderstars im Film „Von zweien, die den Mond stehen wollten“ auf. Filmen fanden sie allerdings langweilig, doch im Rampenlicht standen sie weiterhin gerne. Ihre politische Karriere begann in den 80er-Jahren, als sie Berater der Gewerkschaftsbewegung Solidarność wurden, die maßgeblich am Sturz des kommunistischen Regimes beteiligt war. Als Solidarność-Führer Lech Wałesa 1990 bis 1995 Präsident von Polen war, gehörten die Kaczyński-Brüder kurzzeitig zu dessen Beratern, bevor sie sich mit Wałesa zerstritten.

Der heute mit Vorträgen durch die Welt reisende Wałesa hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg: „Jaroslaw Kaczyński hätte von Anfang an den Posten des Premiers und damit auch die Verantwortung übernehmen sollen.“ Er erwarte von der Kaczyński-Doppelspitze nichts Gutes für Polen. Sie würden das Land destabilisieren.

Tatsächlich hat Jaroslaw Kaczyński vor drei Monaten eine Koalition mit der rechtsklerikalen Liga der polnischen Familien (LPR) und der linkspopulistischen Bauernpartei Samoobrona eingefädelt. Mit ihrer Hilfe wollen die Zwillinge die „IV. Republik“ ausrufen, in der es keine Korruption, keine kommunistischen Seilschaften, keine unbotmäßige Presse und schon gar keine unkatholischen Sitten mehr geben soll. Nur „Recht und Gerechtigkeit“ sollen dort herrschen. Und natürlich „Die zwei, die den Mond stehlen wollten.“

GABRIELE LESSER