Die Marionette hat ausgedient
: Kommentar von Paul Flückiger

Polens Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz hatte schon lange ein Problem: Er war zu gut, zu beliebt und zu erfolgreich. Und er glaubte bis zuletzt an eine liberal-konservative Koalition, ja, sogar an die Kräfte des freien Markts. Nicht, dass er in seine kurzen Amtszeit viel erreicht hätte, dazu fehlten es ihm an Macht und Personal. Aber er verkaufte die magere Leistung der national-konservativen Regierung im Volk hervorragend – selbst dann noch, als Populisten und Rechtsextreme dem Programm ihren hässlichen Stempel aufdrückten.

Doch das Rating des von den Kaczyński-Zwillingen im letzten Herbst als Marionette eingesetzten Premiers stieg proportional zu den sinkenden Sternen der Kaczyński-Brüder selbst. Und die Marionette unternahm erste eigenständige Gehversuche: Höchste Zeit für ein Machtwort! Jarosław Kaczyński, als Parteichef von „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) Ende Juni auf Rang 16 abgerutscht, hatte schon immer betont, er schließe die Übernahme der Regierungsgeschäfte in Zukunft nicht aus. Und da die PiS nach dem Führerprinzip organisiert ist, war schon immer klar, dass allein er – in Absprache mit seinem Bruder Lech, dem Präsidenten, wie sich von selbst versteht – den Zeitpunkt der Ablösung bestimmt.

Nun kann man den Kaczyński-Zwillingen vieles zugute halten: ihre Untergrundaktivitäten vor 1989, ihre verhältnismäßig saubere Weste, ein gewisses Lernvermögen sogar. Doch als rationale Politiker gelten sie nicht.

Wahrscheinlich hatten die beiden notorischen Streithähne Marcinkiewicz fallen lassen, nachdem sich dieser am Donnerstag ohne Rücksprache mit dem liberalen Oppositionsführer Donald Tusk getroffen hatte. Welche Ungeheuerlichkeit für einen Premier von Kaczyńskis Gnaden! Nun ist dieser sein eigener Chef. Immerhin herrschen damit endlich klare Verhältnisse.

Polens Politik wird dadurch in Zukunft allerdings nicht weniger chaotisch – eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Neurosen, patriotischer Missionseifer und mangelnde Erfahrung in der großen weiten Welt werden Polens Schritte bestimmen. Und bar der letzten liberalen Elemente, zumindest in der Wirtschaftspolitik, droht ein weiterer Ruck nach rechts.