„Alles hat seine Zeit“

RÜCKTRITT Ole von Beust geht, Christoph Ahlhaus soll kommen. Die GAL zeigt wenig Begeisterung, SPD und Linkspartei setzen auf Neuwahlen

Die parteilose Karin von Welck, Kultursenatorin seit 2004, gibt zusammen mit Bürgermeister von Beust (CDU) ihr Amt auf. Dessen Rücktritt sei „eine Zäsur und für mich der richtige Zeitpunkt, aus der Politik auszuscheiden“, teilte die 63-Jährige gestern mit. Zuletzt war die Senatorin zunehmend unter Druck geraten: Die Kosten für die „Elbphilharmonie“ hatten sich auf 323 Millionen Euro fast verdreifacht. Zudem hatten Künstler und Museen vermehrt heftigen Unmut über die Sparpolitik der Kulturbehörde geäußert.  (dpa)

Für Olaf Scholz ist die Sache klar: „Man kann jetzt keine Funktionärsentscheidung über die Köpfe der Menschen hinweg treffen“, sagt der SPD-Landesvorsitzende. Allerdings sei es zuerst Sache der CDU und vor allem ihres grünen Koalitionspartners, sich zu positionieren.

Neuwahlen, die er am Abend im Innenhof des Rathauses kaum verhohlen forderte, muss Scholz wohl nicht fürchten: Eine jüngste Meinungsumfrage sieht die SPD mit 39 Prozent als stärkste Partei, die GAL bei 11 Prozent. Eine rot-grüne Mehrheit wäre also möglich. Voraussetzung wäre, dass nach dem angekündigten Rücktritt des Bürgermeisters die schwarz-grüne Koalition auseinanderbricht. Dazu hat sie Zeit bis zum 25. August. Auf der ersten Sitzung der Bürgerschaft nach der Sommerpause will Ole von Beust ab- und sein designierter Nachfolger Christoph Ahlhaus antreten. Spätestens dann müssen die Grünen Farbe bekennen.

„Die biblische Aussage, ‚Alles hat seine Zeit‘, gilt auch für mich“, hatte von Beust am Abend auf dem Treppenabsatz vor dem Senatssitzungssaal erklärt. Seit 1978 sei er nun schon Politiker, seit 2001 Bürgermeister, vier Mal Spitzenkandidat der CDU bei Bürgerschaftswahlen gewesen – und nun sei er zu der Überzeugung gekommen, dass es besser sei, 2012 nicht nochmal als Bürgermeisterkandidat anzutreten: „Ein fünftes Mal hätte der politischen Vernunft widersprochen.“

Zunächst habe es gegolten, so von Beust, die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu minimieren, die HSH Nordbank zu sanieren und „meinen Beitrag zum Erfolg der Schulreform zu leisten“. Deshalb sei das Ergebnis des Volksentscheids, das er da noch nicht kannte, „auch mein Ergebnis“. Insofern sei es sinnvoll nun zu gehen – auch, weil ein Nachfolger jetzt noch eineinhalb Jahre Zeit habe, „sich inhaltlich und persönlich zu profilieren“.

„Der Rücktritt des Bürgermeisters ist der Anfang vom Ende von Schwarz-Grün“, befand die Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn. Nun liege „der Ball bei der GAL“. Sollte diese die Koalition unter Ahlhaus nicht fortsetzen wollen, müsse es Neuwahlen geben, so Heyenn: „Einen Wechsel der Pferde mitten im Rennen machen wir nicht mit.“

Die Grünen deuten derweil vorsichtige Skepsis an. Der Rückzug von Beusts „kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt“, sagte Fraktionschef Jens Kerstan. Nun sei zu klären, „welche Ideen und Vorschläge die CDU für eine weitere Zusammenarbeit skizziert“. Zunächst aber müsse die GAL selbst die neue Situation „bewerten und diskutieren“. SMV

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