Sportler sollen zahlen

Gesundheitssenatorin Schnieber-Jastram will Sportunfälle aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen. Dabei sind solche Verletzungen nur für einen winzigen Teil der Kosten verantwortlich

Von Gernot Knödler

Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) hat vorgeschlagen, die Gesundheitsreform auf Kosten der Sportler zu retten. Die Behandlung von Sportverletzungen solle nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Die Kosten die dadurch gespart würden, könnten die Deckungslücke im Gesundheitswesen schließen, sagte Schnieber-Jastram. Ihr Vorschlag stieß vielerorts auf Kritik.

„Sport ist ein unverzichtbarer Baustein zur Förderung der Bewegungsfähigkeit und zur Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen“, räumt die Gesundheitssenatorin ein. Beim Schul und Breitensport seien viele Unfallrisiken bereits durch einen separaten Versicherungsschutz abgedeckt, etwa durch die Landesunfallkasse oder Sportversicherungen.

Für eine Reihe von Risikosportarten hingegen sei zu hinterfragen, warum einzelne Sportler die Folgen eines Unfalls der Gemeinschaft aufbürden können sollten. „Dabei denke ich an Drachenfliegen, Fallschirmspringen oder Freeclimbing“, sagt die Senatorin. Da sei die Eigenverantwortung der Sportler gefragt, nicht jedoch eine Absicherung durch die Gemeinschaft der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung.

„Diese Diskussion taucht häufiger mal auf“, sagt Ralph Lehnert, Geschäftsführer des Landessportbundes. Vor drei Jahren hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit der gleichen Idee für eine Debatte gesorgt. „Von den Zahlen her ist klar, dass die Kosten, die im Gesundheitswesen durch das Sporttreiben gespart werden, deutlich höher sind als die Kosten von Sportverletzungen“, sagt Lehnert. Die Präventivwirkung des Sports überwiege eindeutig. Nicht umsonst versuchten die Krankenkassen, ihre Mitglieder zu sportlicher Betätigung zu motivieren.

Einer Erhebung der Ruhr-Universität Bochum zufolge verursachen Sportverletzungen nur einen verschwindend geringen Teil der Kosten im Gesundheitswesen. Unterstützt von der ARAG Sportversicherung machten die Forscher seit 1986 Stichproben in mehreren Landessportbünden. Für das Jahr 2000 errechneten sie 1,3 Millionen Sportverletzungen bei rund 23 Millionen sportlich aktiver Deutscher. Diese hätten das Gesundheitssystem 1,65 Milliarden Euro gekostet, was 0,8 Prozent der Gesamtkosten entspreche. „Im Vergleich hierzu verursachen ernährungsbedingte Krankheiten und deren Folgen etwa ein Drittel der Kosten im Gesundheitswesen“, heißt es in der Veröffentlichung.

Die Zahlen der Bochumer werden durch eine Erhebung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2000 bestätigt. Nur 1,46 von 5,36 Millionen „Unfallverletzungen in Heim und Freizeit“ seien beim Sport entstanden. Die weitaus meisten Unfälle gab es bei den Massensportarten Fußball, Handball, Volleyball. Auch das Skifahren und Reiten spielt eine Rolle. Angebliche Risikosportarten wie Fallschirmspringen oder Freeclimbing tauchen in den Statistiken gar nicht auf, weil sie so selten ausgeübt werden.

Natürlich könne man über Zusatzversicherungen für Sportler nachdenken, sagt Klaus-Otto Allmeling, Vizepräsident der Ärztekammer Hamburg. Wer den Sport als hohen Kostenfaktor begreife, müsse sich aber auch über die Folgekosten im Klaren sein, die entstünden, wenn kein Sport betrieben werde. Allemeling: „Eine entsprechende Risiko-Analyse müsste dann auch für Autofahrer, Übergewichtige, Raucher und andere so genannte Risikogruppen erstellt werden.“