Behinderte gehen auf die Barrikaden

Behindertenverbände klagen gegen neue Fahrten-Regelung. Heute Demonstration auf dem Marktplatz

Die Behinderten sind wütend und enttäuscht. „Von den Bremer Abgeordneten haben wir keine hohe Meinung mehr“, sagt Horst Fehe von dem Verein „SelbstBestimmt Leben“. Grund für die Empörung ist eine neue Sonderfahrten-Regelung, die seit dem 1. Juli gilt.

Bisher konnten sich alle jene auf Kosten der Stadt Bremen mit Taxen oder Fahrunternehmen transportieren lassen, die aufgrund einer Behinderung die öffentlichen Verkehrsmittel nicht nutzen können. Jetzt erhalten die Betroffenen nur noch eine einkommens und vermögensabhängige Pauschale von 120 bis 160 Euro im Monat. HeimbewohnerInnen bekommen gar keine Zuschüsse mehr. Da viele Heime keine eigenen Fahrangebote hätten, ständen über 100 BremerInnen praktisch unter „Heimarrest“, sagt Lars Müller vom Sozialverband Deutschland. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) begründete die Einschnitte vor einiger Zeit mit der „schwierigen Finanzlage Bremens“.

Die Grünen reichen heute einen Antrag in die Bremische Bürgerschaft ein, der für die Weiterführung der alten Fahrdienst-Regelung plädiert. Parallel dazu haben die Behindertenverbände für 16 Uhr zu einer Demo auf dem Marktplatz aufgerufen. Viele Behinderte haben aber ein Problem zum Ort der Demonstration zu kommen – aufgrund der neuen Reglung. „Da sieht man, wie die neue Richtlinie Menschen an der Ausübung ihrer demokratischen Rechte hindert“, so der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück.

Darüber hinaus starten die „Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Bremen“, der „Sozialverband Deutschland“ und der Verein „SelbstBestimmt Leben“ ein Volksbegehren. Es sieht vor, den Betroffenen einmal pro Woche eine Fahrt zu einem Ziel ihrer Wahl innerhalb Bremens zu garantieren. Außerdem sollen die Behindertenbeauftragten gehört werden, ehe neue Busse oder Bahnen angeschafft werden. Für eine Zulassung des Volksbegehrens müssen die Verbände 5.000 Unterschriften sammeln. Dies soll bis zu den Landtagswahlen im Mai 2007 geschehen.

Horst Frehe rät unterdessen allen Betroffenen, Klage einzureichen. Vor Gericht rechne man sich gute Chancen aus, den alten Zustand wieder zu erlangen. Schließlich, so Frehe, würden mit der Neuerung „ganz vitale Interessen der Behinderten ignoriert“. Christoph Müller