Streit um BKA-Gutachten zu Anne Frank

Nach der Bücherverbrennung in Pretzien blühen Verschwörungstheorien. Viele fußen auf einem Gutachten des BKA zur Echtheit des berühmten Tagebuchs. Das Anne-Frank-Zentrum fordert, dass sich die Behörde von der 26 Jahre alten Analyse distanziert

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Gut zwei Wochen nach einer von Neonazis inszenierten Bücherverbrennung in Pretzien hat das Berliner Anne-Frank-Zentrum eine weitere Strafanzeige angekündigt. Die Anzeige richte sich gegen einen Eintrag im Gästebuch der Internetseite der Gemeinde, sagte Institutsdirektor Thomas Heppener der taz.

Das Berliner Institut hatte bereits wegen der öffentlichen Verbrennung des Buchs in Pretzien Strafanzeige erstattet. In dem Eintrag bezweifelt ein anonymer Verfasser nun die Echtheit des „Tagebuchs der Anne Frank“.

Das Anne-Frank-Zentrum wird regelmäßig mit Verschwörungstheorien über das Tagebuch des jüdischen Mädchens konfrontiert. So verteilten Rechtsextreme anlässlich einer Anne-Frank-Ausstellung in Wolgast Flugblätter mit dem Slogan „Alles Lüge!“. Als angeblichen Beweis führten die Rechtsextremen in Wolgast – so wie jetzt in Pretzien – ein Gutachten des Bundeskriminalamts (BKA) von 1980 an. Für die Fachleute vom Anne-Frank-Zentrum sind das Gutachten und die Haltung des BKA dazu ein dauerhaftes Ärgernis. Aus ihrer Sicht trägt die Behörde mit dazu bei, Fälschungsmythen am Leben zu halten.

Das BKA hatte vor 26 Jahren das Buch untersucht und festgehalten: Es enthalte mit Kugelschreiber eingefügte Korrekturen, die Tinte sei erst seit 1951 auf dem Markt. Bei einer späteren wissenschaftlichen Analyse in den Niederlanden kam laut Heppener allerdings heraus: Die Kuli-Passagen waren nachträgliche Kommentare einer Lektorin.

„Wir bitten seit Jahren, dass das BKA einmal offen zu diesem Gutachten Stellung bezieht“, sagt Heppener. Damit, glaubt er, könnte das BKA der antisemitischen Propaganda den Wind aus den Segeln nehmen. „Aber die wollen nicht zugeben, dass sie damals Fehler gemacht haben.“

Ein Sprecher des BKA teilte gestern auf Anfrage mit, seine Behörde habe das Gutachten 1980 im Auftrag des Hamburger Landgerichts erstellt. Bei Auftragsgutachten überlasse das BKA aber „prinzipiell“ die inhaltliche Bewertung dem Auftraggeber – im konkreten Fall also dem Hamburger Gericht. „Zum Inhalt dieses Gutachtens kann ich mich deshalb nicht äußern.“ Zudem habe Heppener persönlich gar keinen Kontakt zum BKA gehabt.

Das bestätigt auch der Direktor des Anne-Frank-Zentrums. Er verweist allerdings darauf, dass er erst im Frühjahr wegen des Themas im Bundesinnenministerium vorsprach. Der parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier teilte ihm danach schriftlich mit, es sei Konsens, dass das BKA-Gutachten „keine Anhaltspunkte liefert, die gegen die Datumsechtheit des Fließtextes der Tagebücher sprechen“. Zu seinem Wunsch, eine Pressekonferenz mit dem BKA zu organisieren, habe das Ministerium aber erklärt: Das sei nicht drin.