Kongo soll nicht ins Grundgesetz

SPD trägt die Pläne von Minister Franz Josef Jung (CDU) für einen neuen Verteidigungsbegriff nicht mit

BERLIN taz ■ Der Kongo-Einsatz hat dem Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon verschiedentlich Gelegenheit gegeben, über den Begriff „Verteidigung“ im Grundgesetz zu räsonnieren. So sagte Jung etwa kürzlich der FAZ: „Völkerrechtliche Verpflichtungen“ solle man in den Verteidigungsbegriff einbeziehen. Er „neige dazu, dass wir auch hier eine Grundgesetzänderung anstreben sollten“.

Womit Jung eine weitere Unions-Baustelle im Grundgesetz eröffnet hat. Mit ihm ist es im Kabinett bislang vor allem Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die Grenzen neu bestimmen will, die das Grundgesetz dem Verteidigungsbegriff und damit den Aufgaben der Bundeswehr zieht.

Schäuble möchte – erstens – gern, dass die Bundeswehr auch als eine Art Heimatschutz neben der Polizei eingesetzt wird. Gemeinsam möchten Schäuble und Jung – zweitens – die Terrorismusbekämpfung in die Verfassung schreiben. Und – drittens – will nun Jung die internationale Krisen- und Konfliktbewältigung à la Kongo ins Grundgesetz aufnehmen. Die Begründung lautet: Weil Verteidigungsbegriff und Bundeswehraufgaben im Grundgesetz aus dem Kalten Krieg stammten, müssten sie nun der Realität von Auslandseinsätzen und Kampf gegen den Terror angepasst werden.

Eine Debatte dazu wird spätestens im Herbst ausbrechen, denn dann stehen auf der Tagesordnung der großen Koalition zwei Punkte: Die Regierung will das „Weißbuch“ zur Bundeswehr vorlegen. Dieses Weißbuch soll nach zwölf Jahren erstmals wieder die Rolle und Funktion der Bundeswehr in aller Welt beschreiben und hierzu Leitlinien formulieren. Ein Entwurf Jungs kursiert seit Mai.

Außerdem muss die Regierung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagieren. Die Karlsruher Richter verwarfen im Februar das Luftsicherheitsgesetz, wonach die Bundeswehr ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießen könnte, um einen Fall wie den 11. September 2001 abzuwenden. Großkoalitionärer Einigungsstand ist, hier das Grundgesetz insoweit zu ändern, dass die Bundeswehr Flugzeuge abschießen darf, die unbemannt oder nur mit Terroristen besetzt sind. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erarbeitet derzeit eine Formulierung dazu.

Nichts aber weist bislang darauf hin, dass die SPD die Pläne Jungs und Schäubles zu darüber hinausgehenden Grundgesetzänderungen teilt. Der SPD-Rechtspolitiker Dieter Wiefelspütz erklärt, die SPD werde „die Bundeswehr nicht zur Hilfspolizei machen“. Entgegen den Schwarzmalereien der Union sei die Fußball-WM übrigens reibungsfrei gelaufen, was beweise, dass die Bundeswehr im Innern nicht stärker gebraucht werde. Auch hält Wiefelspütz es für überflüssig, die Terrorismusbekämpfung ins Grundgesetz zu schreiben. „Ein Fall wie der 11. September 2001 ist für mich Landesverteidigung, und dazu dürfen wir die Bundeswehr einsetzen.“ Und wenn Jung jetzt internationale Konfliktbewältigung ins Grundgesetz aufnehmen wolle, kenne er offenbar „weder die aktuelle verfassungs- noch die völkerrechtliche Debatte“. Einsätze im Rahmen internationaler Bündnisse seien durchs Grundgesetz gedeckt.

Die Chefin des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Ulrike Merten (SPD), erklärt: „Eine Grundgesetzänderung kann bestenfalls Folge einer Erneuerung des Weißbuchs sein.“ Es wäre „fatal“, wenn jetzt die nötige Debatte ums Weißbuch durch eine Grundgesetzdiskussion verdrängt würde. Auch der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagt, die Neufassung von Verteidigungsbegriff und Rolle der Bundeswehr gehöre ins Weißbuch. Jungs Vorstellungen über Grundgesetzänderungen dagegen hält Arnold für „wischi-waschi“. ULRIKE WINKELMANN