Protest bekehrt CDU

Kirchen und CDU-Kommunen in NRW drängen im Vorfeld des Integrationsgipfels auf ein Bleiberecht für Geduldete. Die CDUler vor Ort sehen sich zunehmend von der Bevölkerung unter Druck gesetzt

VON NATALIE WIESMANN

Die Kirchen in Nordrhein-Westfalen wollen das Thema Bleiberecht auf der Tagesordnung des Integrationsgipfels sehen. „Bevor es keine klare Regelung für lange geduldete Flüchtlinge gibt, können wir das Thema Integration nicht bearbeiten“, sagt Jörn-Erik Gutheil, Migrationsexperte der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dabei wird er von anderen Christen unterstützt: Auch viele unionsgeführte Kommunen drängen nach zahlreichen Bürgerprotesten auf die Integration von lange in Deutschland lebenden Flüchtlingsfamilien.

Im Vorfeld der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einberufenen Veranstaltung haben die beiden evangelischen Kirchen in NRW eine Resolution veröffentlicht, in der sie eine großzügige Altfallregelung fordern. Auch die katholische Kirche macht Druck auf die Politik: Dass sich die Innenminister der Länder auf ihrer Konferenz im Herbst nicht auf eine Bleiberechtsregelung einigen konnten, sei für die Kirche nicht nur enttäuschend, so der Münsteraner Weihbischoff Josef Voß: „Um der betroffenen Menschen willen können wir uns damit nicht abfinden.“

Rund 200.000 Menschen leben seit vielen Jahren ohne eine sichere Aufenthaltsperspektive in Deutschland, etwa 70.000 davon in NRW. Mit dem Zuwanderungsgesetz sollten Kettenduldungen, das heißt von Jahr zu Jahr oder gar von Monat zu Monat verlängerte Aufenthaltspapiere, abgeschafft werden. „Das Ziel wurde nicht annähernd erreicht“, bilanziert Claudius Voigt vom Netzwerk Bleiberecht Münsterland. Im Gegenteil: Die schwammige Gesetzesformulierungen sei von den Innenministerien und den Ausländerbehörden durch eine restriktive Auslegung verschärft worden.

Die tragischen Situationen, die sich bei der Abschiebung von lange hier lebenden Flüchtlingsfamilien abspielen, wollen nun aber auch viele unionsregierte Gemeinden nicht mehr verantworten. Der Coesfelder CDU-Landrat Konrad Püning stellte im Mai in einem Brief an die Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Ingo Wolf (FDP) fest, dass eine Abschiebung sozial integrierter Familien bei „großen Teilen der Bevölkerung [...] auf Unverständnis stößt.“ In diesen Fällen seien die Ausländerbehörden und er selbst einem „nicht unerheblichen Druck ausgesetzt“. Auch die Kreistage Steinfurt und Borken haben Resolutionen für ein Bleiberecht verabschiedet.

Dem Druck der Bevölkerung und der Parteifreunde vor Ort ist es wohl zu verdanken, dass jetzt auch die Landes-CDU die Dringlichkeit einer Lösung sieht. Vor allem Fraktionsvize Peter Biesenbach treibt das Thema voran. Den NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) weiß er an seiner Seite. Laschet, der als einziger Minister unter sieben Landeschefs auf dem Integrationsgipfel zu Wort kommt, findet es „verrückt“, dass Deutschland gut integrierte Flüchtlinge abschiebt. In seinem Aktionsplan, den er der Kanzlerin präsentieren will, ist das Bleiberecht einer von 20 Punkten. Ob er allerdings in den drei anberaumten Stunden die Situation der Flüchtlinge wirklich diskutieren kann, ist unklar: „Der Minister wird abwarten, wie sich das Gespräch entwickelt“, so seine Sprecherin Barbara Löcherbach.