„Es müssen nicht immer Riesen-Events sein“

Andreas Jarfe, Geschäftsführer des Berliner Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), will den Tiergarten schützen

taz: Herr Jarfe, der Tiergarten hat schon einige Love Parades, Silvesterfeiern und jetzt auch die Fanmeile überstanden. Waren die Warnungen der Umweltschützer überflüssig?

Andreas Jarfe: Nein. Einige der Schäden werden sich erst in einigen Wochen bemerkbar machen. Zum Beispiel brauchen die überdimensionierten Mengen an Urin, die in den Boden eingespült werden, eine gewisse Zeit, bis sie an die tieferen, sensiblen Wurzeln gelangen. Urin in großen Mengen führt dazu, dass Wurzeln regelrecht verätzt werden. Allerdings hat der Bezirk Mitte den Tiergarten massiv gewässert. Das minimiert die Urinschäden.

Viele dieser Großveranstaltungen im Tiergarten liegen schon geraume Zeit zurück. Es scheint also doch zu gehen.

Schädigungen einzelner Pflanzen durch Niedertrampeln oder Abreißen werden vom Bezirk durch Wiederanpflanzungen meist ausgeglichen. Das sieht der Spaziergänger nicht auf den ersten Blick.

Wo könnten Veranstaltungen alternativ stattfinden?

Es gibt in Berlin ausreichend Plätze, auf denen Veranstaltungen stattfinden könnten. Es müssen ja auch nicht immer diese zentralen Riesen-Events mit einer Million Besuchern sein – besser wären dezentrale Veranstaltungen. Wichtig ist, dass wir dem Tiergarten Zeit für die Erholung gönnen. Die Ballung von Großveranstaltungen auf engstem Raum in der Nähe des Brandenburger Tors ist eine große Gefährdung des Tiergartens.

Berlin und die Veranstalter wollen ja immer Fernsehbilder mit dem Brandenburger Tor im Hintergrund. Freiwillig geht doch keiner anderswo hin.

Wir rühmen uns aber auch mit dem Tiergarten und stellen ihn als kulturell und ökologisch wertvolles Areal dar. Das muss man berücksichtigen. Andere Sehenswürdigkeiten werden auch geschützt, zum Beispiel vor Fassadenkletterern.

Ist der Tiergarten ein Opfer der Eventisierung des öffentlichen Lebens?

Fakt ist: Diese Massenevents haben in den vergangenen 15 Jahren in Berlin enorm zugenommen. Dass die Menschen Natur dabei haben wollen, zeigt eigentlich, wie wichtig ihnen die natürliche Umgebung ist. Allerdings leidet die Natur darunter, und das wird den meisten nicht bewusst.

Müssten die Menschen stärker sensibilisiert werden, um sich naturverträglich zu verhalten: also nicht in den Park zu pinkeln und die Wege zu benutzen?

Wenn ein einzelner Spaziergänger in Brandenburg sein Geschäftchen im Wald verrichtet, ist das nicht dramatisch. Dramatisch ist das nur, wenn eine große Menge auf einer kleinen Fläche zusammenkommt. Entsprechende Hinweistafeln für die Besucher wären sicher sinnvoll gewesen. Zudem hätte man auf dem Fanfest mehr lenkende Maßnahmen ergreifen müssen: etwa den Toilettenbesuch kostenlos zu gestatten oder mit Absperrungen Grünflächen zu schützen. Zudem gab es keine Mehrwegbecher.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER