Gesunder Job

TENNIS Trotz des frühen Ausscheidens von Novak Djokovic zieht Trainer Boris Becker eine positive Bilanz

MELBOURNE taz | Mittags traf sich er noch mal mit Novak Djokovic und dem Team, um Bilanz der knapp zwei Wochen zu ziehen. Da hatten sich alle leidlich von den Aufregungen des Abends zuvor erholt, an dem sein Mann gegen Stanislas Wawrinka verloren hatte. Keine leichte Sache, weder für den Spieler noch für dessen Coach. Er sei genauso deprimiert wie Djokovic gewesen, berichtete Becker im kleinen Kreis unter den Sonnenschirmen des Spielerrestaurants. „Ich hab bis fünf, halb sechs kein Auge zugemacht, man leidet ja mit und ist total aufgewühlt.“

Keine Frage, die Welt des großen Tennis und die Welt des „himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“ hat ihn wieder. Und wenn der Eindruck nicht täuscht, dann bekommt ihm die Rückkehr gut. „Ich weiß nicht, ob Sie gesehen haben, dass ich ein, zwei Kilo weniger habe als vor vier Wochen“, sagt er. „Wir waren jeden Tag im Gym – also auch ich. Und ich habe die letzten Wochen auf dem Trainingsplatz genutzt, was ich lange vorher nicht gemacht habe.“ Djokovic’ asketische Lebensweise habe auch bei ihm zu einer gesünderen Ernährung geführt.

Doch welche Erkenntnisse nimmt Becker aus seinem ersten Grand-Slam-Turnier im neuen Job mit? Zunächst, ganz konkret: Wawrinka habe das Spiel im Viertelfinale völlig verdient gewonnen, denn seinem Mann habe ein letztes Quäntchen Energie, ein letztes Quäntchen Magie gefehlt.

Er weiß, dass sich dieser Auftakt mit Djokovic’ erster Niederlage in Melbourne seit 2010 optisch nicht so gut macht. Zum Neustart sei das sicher nicht das optimale Turnier gewesen, sagt er, alles andere als ein Sieg sei ja erst mal eine Niederlage. Aber in der Beziehung zu Djokovic sei die Zeit in Melbourne extrem wertvoll gewesen. „Ich weiß spätestens jetzt ganz genau, wie er tickt, wenn es um die Wurst geht. Das bekommst du von den Jungs nicht in Abu Dhabi, Miami oder Monte Carlo mit, das kriegst du nur mit, wenn es in die Grand-Slam-Endphase geht.“

Die Zeit in Melbourne empfand er als herausfordernd, im positiven Sinne anstrengend und spannend, ob es nun darum ging, in der Umkleidekabine zu beobachten, wer mit wem wie umgeht oder beim Versuch, mehr zu erfahren, als er es in den Jahren als Fernsehkommentator getan hatte. Wirkte er vor Beginn des Turniers noch wie ein Minister a. D., der ins Plenum zurückgekehrt war, machte er am Ende einen weniger manierierten Eindruck, äußerlich symbolisiert vom Wechsel aus dem Anzug in die schwarze Trainingshose.

Der Anfang ist gemacht, und obwohl das Ergebnis zu wünschen übrig ließ, soll die Sache nun nach Plan weitergehen. Nächster gemeinsamer Stopp des Teams Beckovic, wie er es nennt, wird beim Turnier in Dubai Mitte Februar sein, bis dahin stehen Schularbeiten auf dem Programm. „Wir müssen die Phase bis Dubai nutzen, um ein bisschen mehr ins Detail zu gehen, Videos anzuschauen. Ist ja schwer, so was während eines Grand-Slam-Turniers zu machen.“ DORIS HENKEL