Bis Portugal ist es noch weit

Die Sprecherinnen aller Bürgerschaftsfraktionen wollen die Frauen an den Hochschulen fördern. Offen bleibt jedoch, wie. Ist die von den Grünen geforderte „Soll-Quote“ das richtige Mittel ?

Von Henning Bleyl

In der Bürgerschaft formierte sich gestern eine parteienübergreifende Frauenfraktion. SPD und CDU hatten eine gemeinsame große Anfrage zum Thema „Frauenförderung und akademischer Nachwuchs im Lande Bremen“ gestellt, die Grünen schlossen sich mit einem Dringlichkeitsantrag an. Die Stoßrichtung: Der Anteil von Frauen bei wissenschaftlichen Posten muss dringend erhöht werden.

Angesichts der Statistik ist die Einigkeit nicht überraschend: Bei den Studierenden ist die Geschlechter-Parität längst erreicht, aber je weiter die wissenschaftliche Karriere führt, desto dünner wird der Frauenanteil. Noch etwa ein Drittel aller Bremer DoktorandInnen sind weiblich, mit leicht steigender Tendenz. Bei den Habilitationen fällt die steigende Tendenz schon weg, Lehrstühle sind im Durchschnitt aller Fakultäten nur zu 19 Prozent an Frauen vergeben, wobei hier ein deutliches Gefälle von den Geistes- zu den Naturwissenschaften auszumachen ist. Bei den ingenieurwissenschaftlichen Professuren verengt sich das Feld auf Null.

Erst im Januar kommenden Jahres wird sich klären, ob der Vorschlag der Grünen zur Abhilfe mehrheitsfähig ist: Sie fordern eine verbindliche Quote bei akademischen Neueinstellungen und in den Gremien der Hochschul-Selbstverwaltung. Bis dahin soll in Wissenschaftsdeputation und Gleichstellungsausschuss debattiert werden.

In der Wissenschaft selbst ist eine Quote umstritten. Neben Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft sind auch viele Betroffene dagegen, Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft dafür. Gerade erregte Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Aufsehen mit der Bemerkung, Deutschland schöpfe „40 Prozent seines intellektuellen Potentials nicht aus“ – ein Verweis auf die bundesweit bei 9,2 Prozent liegende Frauenquote bei hoch dotierten C4-Professuren.

Doch während Winnacker einer 25-Prozent-Quote das Wort redet, fordern die Grünen 40 Prozent. Schließlich seien in Finnland 34 Prozent der ProfessorInnen sogar der naturwissenschaftlichen Fächer weiblich, in Portugal 49 Prozent. Die Quote auf dem Weg dorthin stellen sich die Grünen als „Soll-Quote“ vor – was den Vorteil hätte, das sie auch praktisch anwendbar wäre. Denn zahlreiche Gremien würden mangels möglicher Kandidatinnen arbeitsunfähig, wäre das Quorum bindend. Trotzdem wäre es, trotz seiner Relativität, eine schärferes Instrument als die im Bremer Landesgleichstellungs- und Hochschulgesetz bereits bereits festgelegte Bevorzugung von Frauen „bei gleicher Qualifikation und Unterrepräsentanz“. Denn während letztere leicht nachweisbar ist, ist die Frage der Qualifikation höchst anfällig für interessengeleitete Interpretationen.

Eine Quote könnte in der Tat spürbare Folgen haben: An der Hochschule Bremen etwa soll im kommenden Jahr ein „kennzahlengesteuertes Budgetierungsystem“ eingeführt werden: Entspricht der Frauenanteil nicht den Vorgaben, hat das Auswirkungen auf die wettbewerbsorientierte Mittelvergabe.

Auch die Einführung von Juniorprofessuren scheint der Frauenförderung zu nutzen: Jede dritte Juniorprofessur wird weiblich besetzt. Allerdings scheint die professorale Würde ihren Preis zu haben: Während vier Fünftel aller Professoren mindestens ein Kind haben, gilt dies für weniger als die Hälfte aller weiblichen Amtsträgerinnen.