leserinnenbriefe
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Das Unfallrisiko steigt

■ betr.: „Eine Atomsteuer reicht der Koalition nicht“, taz v. 17. 7. 10

Die Atom-Endzeit-Verlängerungs-Besteuerungs-Diskussion wird immer abstruser. Da wird allen Ernstes darüber diskutiert, dass heute schon nicht mehr genehmigungsfähige Meiler während der Laufzeitverlängerung garantiert sicherheitstechnisch nicht mehr aufgerüstet werden brauchen. Dabei ist doch jedem klar, dass selbst Atomkraftwerke altern – und so steigt Tag für Tag auch das Unfallrisiko.

Bei den meisten Mitmenschen hat sich herumgesprochen, dass alternative Energie inzwischen nicht nur machbar und bezahlbar ist, sie ist sogar fortschrittlich. Das gewünschte Handgeld für die Laufzeitverlängerung ändert nichts an an den Tatsachen: Unsere Regierung will in dummer, gefährlicher und letztendlich krimineller Weise am Fetisch Atomkraft festhalten! RAINER SONNTAG, Essen

Wer die Umwelt schädigt, zahlt

■ betr.: „Wer fliegen will, muss bald mehr bezahlen“, taz v. 16. 7. 10

Der kommerzielle Flugverkehr ist die weltweit am stärksten wachsende Verkehrsart mit der schlechtesten Umwelt- und Klimabilanz. Beim derzeitigen Wachstum übertrifft er bald den Pkw-Verkehr in seiner Klimawirkung. Dennoch ist er vollkommen steuerbefreit und wird subventioniert, direkt und indirekt. Weder Mineralölsteuern noch Öko- oder Mehrwertsteuern fallen an. Es gibt auch keine CO2-Abgabe. Dazu kommt: Flughäfen werden subventioniert, ihre Schienenanbindung zahlt der Steuerzahler, Steuergelder fließen in Forschung und an Flugzeughersteller (Airbus), Airlines lassen sich mit Bundes-, Landes- und kommunalen Mitteln ködern oder das Bleiben bezahlen. Staat und Politik fördern ganz massiv direkt und indirekt den Klimakiller Nr. 1 im Verkehrssektor, allen Beteuerungen, der Klimakatastrophe gegensteuern zu wollen, zum Trotz.

Eine Ticketabgabe wäre ein kleiner Schritt in Richtung Kostenbeteiligung und Wettbewerb, ist aber noch längst nicht ausreichend. Wer die Umwelt schädigt und zur Klimakatastrophe beiträgt, muss auch die Endrechnung begleichen und darf nicht sämtliche Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen. Auch aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit mit den anderen Verkehrsträgern Bahn, Bus und Pkw ist die sofortige Einführung von Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuern für Flugbenzin dringend geboten. Darüber hinaus muss es eine echte Klimaabgabe geben, die die Höhe der Klimawirkung des jeweiligen benutzten Verkehrsmittels ausdrückt. Eine einfache, gerechte Lösung nach dem Verursacherprinzip.

HANS-PETER CHRISTOPH, Busreiseveranstalter, Freiburg

Rassen- und Klassentrennung

■ betr.: „Die Oberschicht macht dicht“, taz vom 20. 7. 10

Ich bin in Bayern und Norwegen zur Schule gegangen, meine Familie wohnt hauptsächlich in Polen, ich habe jedoch auch Verwandte in Amerika und Frankreich. In all diesen Ländern gehen die Kinder mindestens sechs Jahre gemeinsam in eine Schule, ohne dass die Kleinen oder das Schulniveau Schaden nehmen. Ganz im Gegenteil: Als hochnäsige „Akademikertochter“, die erst auf einem bayrischen Gymnasium war und dann in eine norwegische Gesamtschule geschickt wurde, habe ich sehr viel Toleranz und Verständnis gegenüber Menschen mit anderem Hintergrund gelernt. Ich stellte fest, dass „Arbeiterkinder“ auch Menschen sind, Sozialhilfeempfänger eben nicht Schmarotzer, sondern oft in einer schwierigen Lebenslage sind und jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können. Mit diesem ganzen Hintergrund wundert es mich umso mehr, wieso man so ein großes Tamtam um nur zwei Klassen längerer Gemeinsamschule macht. Was mich so beunruhigt: Das Ergebnis des Volksentscheids in Hamburg ist der Beweis dafür, dass der Gedanke der Rassen- und Klassentrennung in Deutschland weiterhin blüht und gedeiht und nun an die nächste Generation weitergegeben wird.

CLAIRE JOANNA KOZLOWSKI, München

Gymnasium ab der 1. Klasse!

■ betr.: „Verdummt in alle Ewigkeit“, taz vom 20. 7. 10

Nun , da wir eingestehen müssen, wie erfolgreich das Hamburger Kleinbürgertum bei der Mobilisierung der Massen ist, ändern wir BildungsreformerInnen unsere Parole: Gymnasium ab der 1. Klasse! Für alle! E. B. PLÜMPE, Bremen

Es läuft ja irgendwie

■ betr.: „Verdummt in alle Ewigkeit“, taz vom 20. 7. 10

Die Schulreform ist gescheitert. Nun, eine Reform beinhaltet, dass sich etwas verändert. Und der Mensch an sich ruht sich lieber auf dem Bekannten, Festgefahrenen aus. Es läuft ja irgendwie, dann soll es auch so bleiben. Und wenn die Mama des deutschen Emil dann auch noch zu erkennen meint, dass eine verlängerte gemeinsame Schulzeit mit dem türkischen Ali und dem russischen Witali ihrem Sohn erheblichen Schaden zufügen würde – Abdriften in untere Gefilde –, ist sie auch gewillt, zur Urne zu gehen. Emils Mama denkt sogar so weit, dass irgendjemand die einfachen Arbeiten erledigen muss, deshalb braucht das Land Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen und ohne die nötige Integration, die ein besseres Lernen, insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund, ermöglicht. Emils Mama will ihre bessere Stellung in der Konkurrenzgesellschaft nicht schwächen. Denn der türkische Ali könnte mit Lernerfolg den späteren Werdegang ihres kleinen Emils gefährden. Also: Lassen wir es lieber so, wie es ist. MICHAEL SENDER, Mainz