Verurteilt und gewählt

Seit dem Jahr 2000 wird Bouterse mit internationalem Haftbefehl gesucht – aufgrund einer Verurteilung wegen Drogenhandels

Ich reiche allen die Hände. Lassen wir die Querelen der letzten 50 Jahre hinter uns.“ Surinames zukünftiger Präsident Desiré Delano Bouterse hat allen Grund, sich versöhnlich zu geben. Am Montag wählte das Parlament des kleinen Karibikstaates an der südamerikanischen Nordostküste den früheren starken Mann zum neuen Staatsoberhaupt. Menschenrechtsgruppen in der ehemaligen niederländischen Kolonie hatten die Abgeordneten vergeblich aufgefordert, Bouterse nicht zu wählen. Der ehemalige Militär erhielt 34 von 51 Stimmen.

Geboren am 13. Oktober 1945 in Domburg, nahe der Hauptstadt Paramaribo, besuchte er erfolgreich die Handelsschule. Später ließ er sich in den Niederlanden zum Militär ausbilden. Schon zweimal stand der 64-jährige und frühere Oberbefehlshaber der Armee nach erfolgreichen Staatsstreichen von 1980 und 1990 an der Spitze des Staates mit den Gold- und Bauxitvorkommen. Beim ersten Mal hatte ihn auch die Bevölkerung frenetisch gefeiert. Wegen der Hinrichtung von 15 Regimegegnern im Jahr 1982 läuft jedoch seit drei Jahren ein Prozess gegen ihn. Bouterse selbst hatte sich mehrfach als Hauptverantwortlicher für die Morde bezeichnet. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft. Als Präsident könnte er sich selbst begnadigen. Seit dem Jahr 2000 wird er mit internationalem Haftbefehl gesucht, nachdem er zuvor in den Niederlanden in Abwesenheit zu 16 Jahren Gefängnis wegen Drogenhandels verurteilt wurde.

„Bouta“, wie ihn seine Anhänger nennen, war es gelungen, in dem im Mai neu gewählten Parlament eine Koalition zu schmieden, nachdem sein Bündnis „Megacombinatie“ zwar stärkste Fraktion wurde, aber die Stimmen für eine Präsidentenkür nicht ausreichten. Dafür ging er sogar eine Allianz mit seinem früheren Leibwächter und späteren Erzfeind Ronnie Brunswijk ein. Trotz aller Differenzen dürften sich die beiden gut verstehen. Auf Brunswijk wartet in Holland ebenfalls eine Gefängniszelle wegen seiner Drogengeschäfte. Reisen ins Ausland sind für beide nicht ratsam.

Am 3. August wird Bouterse offiziell in das Präsidentenamt eingeführt. Nochpräsident Ronald Venetiaan hat angekündigt, er stehe für die traditionelle Übergabe der Präsidentenschärpe an den Nachfolger nicht zur Verfügung. JÜRGEN VOGT