Ein Lappen, etwas Zeitungspapier

JUSTIZ Eine sechsköpfige Familie aus Köpenick erstickt wegen eines verstopften Rohrs an Kohlenmonoxid. Nun soll geklärt werden, welche Verantwortung für diese Tragödie die Vormieter der Wohnung trifft

Im Sommer 2011 starb in Köpenick eine Familie an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Fast drei Jahre später versucht sich das Amtsgericht Tiergarten an der Klärung der Schuld. Es hat die Vormieter, eine 50-jährige Mutter und ihren 33-jährigen Sohn, auf die Anklagebank geholt. Starr vor Schreck hocken sie dort und hören die Worte der Staatsanwältin: Sie seien für den Tod von sechs Menschen verantwortlich, wofür ihnen bis zu fünf Jahren Haft droht.

Das Tatwerkzeug bestand aus einem Lappen und etwas Zeitungspapier. Robert S. hatte beides in das Abgasrohr der Gastherme gestopft – weil es in der Wohnung seiner Mutter zog und das Gas wegen unbezahlter Rechnungen sowieso abgestellt worden war. Vier Jahre später zog Beate S. aus, das verstopfte Abgasrohr hatte sie vergessen.

Die neuen Mieter, eine 27-Jährige mit ihren vier Kindern im Alter von ein bis sieben Jahren sowie der 39-jähriger Lebensgefährte, wollten die Gastherme wieder nutzen. Sie wandten sich an die Hausverwaltung. Ein Installateur kam, prüfte die Gasleitungen, befand diese für undicht und sperrte sie.

Erneut wandte sich die Familie an die Hausverwaltung. Diesmal wurde ein Stück Gasleitung ausgetauscht, die Leitung nun für dicht befunden und entsperrt. Weil dennoch kein warmes Wasser lief, tauschte der Installateur auch noch einen Temperaturfühler an der Therme aus. Dabei hätte ihm der Staub an der Verkleidung auffallen müssen, ein Zeichen dafür, dass die Anlage seit Jahren nicht gewartet worden war. Wäre dies erfolgt, hätte man den Lappen rechtzeitig entdecken können.

Der Schornsteinfeger kam

Doch eine Prüfung der Therme war von der mittlerweile insolventen Hausverwaltung nicht in Auftrag gegeben worden. Dafür gibt es nämlich keine Vorschrift – im Gegensatz zur Abgaswegeüberprüfung, die einmal im Jahr von einem Schornsteinfeger vorgenommen werden muss.

Dieser hätte auch den Lappen entdecken müssen, der sich bis über die Öffnung geschoben hatte, in die er seine Prüfgeräte hätte schieben müssen. Doch er muss gewusst haben, dass er für diese Wohnung seit Jahren keine Abgaswerte ermitteln konnte, weil das Gas abgestellt worden war. Zwar schrieb er jährlich eine Rechnung, das Prüfen aber muss er unterlassen haben. Derzeit läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren.

„Ursächlich war der Lappen“, so das Fazit eines technischen Gutachters vor Gericht. Darum werden Beate und Robert S. wohl am nächsten Donnerstag wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

UTA EISENHARDT