Brüssel bittet Microsoft zur Kasse

Die EU-Kommission versucht den Softwarekonzern mit einem Bußgeld von 280,5 Millionen Euro zu mehr Wettbewerb zu zwingen. Microsoft will sich zwar gerichtlich wehren, muss den finanziellen Schaden aber weniger fürchten als den fürs Image

von DANIEL BÖHM

Microsoft hält sich nicht an die Kartellregeln und missbraucht seine Quasi-Monopolstellung. Das hat die EU-Kommission gestern entschieden und den Softwarekonzern zu einer Strafe von 280,5 Millionen Euro verdonnert. Das entspricht einem Tagessatz von 1,5 Millionen Euro pro Werktag, seit die EU-Kommission erstmals mit dem Bußgeld gedroht hatte. Der konkrete Vorwurf: Microsoft geize mit Informationen zu den Schnittstellen in seinen Programmen. Damit mache das Unternehmen es anderen Firmen unmöglich, mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows zusammenzuarbeiten.

Microsoft kündigte an, sich gerichtlich zu wehren. Man halte die Höhe der Strafe für „nicht angemessen“, hieß es in einer Erklärung. Die Kommission habe sich nie klar dazu geäußert, welche Unterlagen sie eigentlich genau haben wolle.

Schnittstellen sind die Teile der Programmcodes, die es anderen Programmierern erlauben, eine mit dem existierenden Betriebssystem kompatible Software herzustellen. Ohne genaue Informationen können Firmen, die ergänzende oder konkurrierende Software herstellen, ihre eigenen Produkte kaum auf windowsgesteuerten Computern zum Laufen bringen. Weil aber rund 90 Prozent aller Computer mit Windows laufen, sind sie damit quasi vom Markt ausgeschlossen. „Die Windows-Welt funktioniert, ebenso die Nicht-Windows-Welt. Nur zwischen beiden klappt die Kommunikation nicht“, sagt Joachim Jakobs von der Microsoft-kritischen Stiftung für freie Software FSF. Bereits vor zwei Jahren hatte die EU-Kommission Microsoft aufgefordert, die Informationen endlich offen zu legen. „Microsoft hat aber nur Unbrauchbares veröffentlicht“, so Jakobs.

Die Programmcodes erklärte der Konzern zum Betriebsgeheimnis. Aus Angst vor der sich immer schneller entwickelnden Open-Source-Szene, die in unbezahlter Arbeit gleichwertige Anwendersoftware baut und diese zum kostenlosen Herunterladen ins Internet stellt? „Natürlich können die Microsoft gefährlich werden“, sagt der Informatikjournalist und Microsoft-Kenner Wolfgang Herrmann. „Aber ganz egal, wer die Konkurrenz ist oder was sie macht: Microsoft geht es in erster Linie darum, seine dominierende Marktposition beizubehalten.“ Der Konzern müsse sich auch nicht vor Bußgeldern fürchten. „Bei einem Quartalsgewinn von mehreren Milliarden Euro sind das Peanuts.“ Trotzdem schien der Konzern auf eine gütliche Einigung zu hoffen. In den letzten drei Monaten, so berichtete die NewYork Times, hätten 300 Microsoft-Ingenieure nonstop an der von der EU geforderten Dokumentation gearbeitet. Hintergrund sei die Befürchtung, dass das Image der Firma unter den Prozessen leide.

Microsoft gerät immer wieder ins Kreuzfeuer der Kartellrichter. Dabei ging es stets um die Beinahe-Monopolstellung, die der Softwareriese dank des Windows-Betriebssystems innehat. „Microsoft koppelt seine Anwendungsprogramme mit dem Betriebssystem“, erklärt Experte Herrmann. Wer also Windows auf dem Computer laufen hat, kriegt von Microsoft jede Menge Anwendungsprogramme mitgeliefert. Unabhängige Konkurrenten haben kaum Chancen. Erstmals wurde dies Ende der 90er-Jahre klar, als Microsoft den unabhängigen Browser-Hersteller Netscape aus dem Markt drängte. Der Riese fügte seinem Betriebssystem ganz einfach einen eigenen Browser namens Internet Explorer an. Netscape schied aus. FSF-Mann Jakobs: „Mit diesem Geschäftsmodell hält Microsoft die Kunden gefangen.“

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