Schröder zeigt sich und sein Gesicht

Der Exkanzler sammelt weiter neue Jobs. Jetzt wird er Schirmherr des antirassistischen Vereins „Gesicht zeigen!“. Gerhard Schröder tritt aus diesem Anlass zum zweiten Mal nach seiner Wahlniederlage öffentlich auf und plaudert über dies und jenes

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Klinsmann geht – Schröder kommt. Ist doch klar, dass das 30-Minuten-Comeback des Exkanzlers in der politischen Öffentlichkeit nicht auf einen stinknormalen Tag ohne jede Strahlkraft fällt. An diesem Mittwoch kreuzen sich zufällig, aber irgendwie auch schon wieder zwangsläufig die Wege zweier deutscher Reformer. Das ist natürlich ganz nach dem Geschmack des ungekrönten Meisters der Symbolpolitik.

Der Anlass seines erst zweiten offiziellen Auftritts nach der Wahlniederlage ist, was sonst, ein neuer Job. Davon hat Schröder in den zurückliegenden Monaten ja eine ganze Menge gesammelt, unter anderem als Berater des Schweizer Medienkonzerns Ringier sowie als Aufsichtsratschef eines deutsch-russischen Gaskonsortiums. Heute übernimmt er eine weitere Aufgabe: die Schirmherrschaft von „Gesicht zeigen!“, eines Vereins gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, der sich durch engagierte Arbeit ebenso auszeichnet wie durch einen hohen Promi-Faktor in den Reihen seiner Unterstützer. Vorsitzender des Vereins ist Uwe-Karsten Heye, Schröders Freund seit seligen Hannoveraner Zeiten, später auch sein Regierungssprecher in Berlin.

Verständlich also, dass Heye den neuen Schirmherrn nicht lange bitten musste. „Er hat sofort zugesagt“, berichtet Heye. „Das zeichnet ihn eben aus. Er ist zu schnellen Entschlüssen fähig.“ Schröder setzt bei diesem Satz sein altes breites Kanzlergrinsen auf, das man fast schon wieder vergessen hatte. Mitleid mit seiner entscheidungsschwachen Nachfolgerin hat er offenbar keine Sekunde.

Überhaupt ist Schröder an diesem Tag ganz der Alte. Sitzt entspannt in den Räumen des ehemaligen DDR-Staatsratsgebäudes, scherzt mit den Medien, verstellt sich nicht groß. Er tut gar nicht erst so, als sei er jetzt ein Experte für Rechtsextremismus und würde demnächst mit den Leuten vom Afrika-Rat eine Landkarte basteln, die die ausländerfeindlichen Zonen in Deutschland markiert. Er lobt die Arbeit von „Gesicht zeigen!“ in luftigen Worten. „Ich halte das für wirklich bedeutsam, was hier ehrenamtlich versucht wird“, sagt Schröder. Er spricht davon, „gern ein bisschen mithelfen“ zu wollen. Er sieht seine neue Tätigkeit als Fortsetzung der Arbeit von „zwei wirklich großen Demokraten“: von Johannes Rau, Schröders Vorgänger als Schirmherr, sowie Paul Spiegel, Mitbegründer des Vereins.

Nur kurz lässt sich der Exkanzler auf Feinheiten der ausländerpolitischen Debatte ein. Er wird nach Heyes Warnung an die ausländischen Besucher der Fußball-WM gefragt, bestimmte No-go-Areas insbesondere in Ostdeutschland zu meiden. Das sei „richtig“ gewesen, findet Schröder. „Er muss sich dafür nicht entschuldigen. Er hat ja auch hinzugefügt, dass es sich um Einzelfälle handelt.“

Ansonsten gilt auch an diesem Tag: Einmal Kanzler, immer Kanzler. Schröder wird zu allem und jedem gefragt, zu den Anti-Bush-Demos, zum Klinsmann-Rücktritt, zum Integrationsgipfel, zum neuen Patriotismus. Er plaudert ein bisschen, sagt dies und jenes, nichts Aufregendes, schon gar nichts Weltbewegendes. Er gefällt sich in der Rolle des Elder Statesman ohne Professur in Princeton. „Wissen Sie“, sagt er den Kanzlerjournalisten, die aus Nostalgie erschienen sind, „es ist vernünftig, dass man nach dem Ausscheiden aus dem Amt eine gewisse Zeit verstreichen lässt, bevor man innenpolitische Ereignisse wieder kommentiert. Ich schließe das für die Zukunft aber nicht aus.“ Kleiner Moment der Unsicherheit unter den Zuhörern. „Das war jetzt keine Drohung“, schiebt Schröder hinterher. Und lacht.