Verzaubert und verschroben

SINGER/SONGWRITER So viel Schönheit hört man selten: Die New Yorker Musikerin Holly Miranda präsentiert heute Abend ihr zweites Solo-Album „The Magician’s Private Library“

Entspannter und selbstbewusster klingen Blumenkinder der Gegenwart selten

VON ROBERT MATTHIES

Puritanisch ging es zu Hause in Michigan zu: Comics, Kabelfernsehen und Pop-Musik galten im christlichem Haus der Mirandas als Teufelszeug. Motown und die „Beach Boys“, das war noch okay, der Rest: schädlich und gefährlich, zum Singen musste die kleine Holly schon in die Kirche gehen. Dafür gab es für die Siebenjährige zu Hause Klavierunterricht, Gitarre und Trompete durfte sie sich selbst beibringen. Durchaus positive Aspekte habe ihre Kindheit gehabt: sensibel und spirituell sei sie deshalb geworden. Mit 16 aber hielt es die Musikbegeisterte nicht länger aus und flüchtete zur Schwester nach New York.

In der Kirche gesungen hat sie hier nicht mehr, stattdessen nahm die lesbische Songwriterin und Sängerin ihr erstes 20 Stücke umfassendes Album „High Above the City“ auf – ohne Plattenlabel, noch heute ist es nur bei Auftritten erhältlich. Der große Durchbruch gelang ihr kurz darauf, nachdem sie gemeinsam mit dem Produzenten und Keyboarder Alex Lipsen „The Jealous Girlfriends“ gegründet hatte. 2004 stand deren Erstling „Comfortably Uncomfortable“ im Regal, schnell zählte die Noise-Rock-Kombo zum Spannendsten, was Brooklyn zu bieten hat: für das Video zum Song „How Now“ gab es für das Quartett den ersten Preis beim hippen „iPod Music Video Contest“.

Im März ist Holly Mirandas zweites Solo-Album „The Magician’s Private Library“ erschienen. Mit tatkräftiger Unterstützung der befreundeten Brooklyner Experimental-Rocker „TV on the Radio“: produziert hat das verträumt-verschrobene Album deren Gitarrist, Keyboarder und Loop-Experte Dave Sitek. Überall flirrt und surrt es, über Bläser und Beats, Samples und Streicher, Synthies, Glocken und jede Menge Hall singt Miranda Hollys hintergründige Stimme von der Schönheit der Liebe, ihrem Scheitern und davon, dass es sich lohnt, dagegen zu kämpfen. Entspannter und selbstbewusster klingen Blumenkinder der Gegenwart selten. Man darf gespannt sein, wie die komplexe Klanglandschaft heute Abend im Molotow auf der Bühne umgesetzt wird. Eins aber ist sicher: man geht danach verzaubert ins Wochenende. Und der Zauber wirkt eine ganze Weile.

■ Do, 22. 7., 21 Uhr, Molotow, Spielbudenplatz 5