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Den Mann kann man sich nun wirklich gut vorstellen unter einem Balkon, zu nachschlafener Zeit, der (oder dem) Liebsten Schmachtfetzen vortragend, womit im Übrigen auch die Frage geklärt wäre, wo all die Barden geblieben sind, die die Popkultur noch im Mittelalter entscheidend geprägt haben, bevor rund 1.500 neue Trends sie an den Katzentisch verwiesen. Hier zum Beispiel, wo sie mit aller Macht und natürlich Zartheit ins Licht zurück drängen, in dem sie dann zum Beispiel unter Genrebezeichnungen wie Dark- oder Freak Folk abgehandelt werden. Einer der mittlerweile bekannteren Vertreter der Zunft dürfte Devendra Banhart sein, als neuer Shootings-Star der international doch überschaubaren Szene bietet sich derzeit Troy Mighty alias Dead Western an, dessen zweite Platte den zwischen Poesie und Überspanntheit angesiedelten Titel „Suckle at the supple Teats of time“ trägt. Tiefenentspannung wird dabei nicht nur durch ins Sphärische reichende weiche Melodiebögen auf der Gitarre und durch Texte voller ähnlich reizender Metaphern zwischen Blumenwiese, unschuldiger Liebe und Feenwald garantiert, sondern vor allem auch durch das tiefergelegte Organ des Hauptprotagonisten, das Nick Cave schlicht wie einen Chorbruder vor dem Stimmbruch klingen lässt. So, 25. 7., 20.30 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84 Die Kehrseite des Aktualitätsanspruchs in der Indie-Disco ist das, was die lieben Eltern früher mal „Evergreen“ genannt haben; nachfolgende Generationen sprechen vorzugsweise von „All Time Favorites“ oder „Kult-Songs“. Trotzdem schön, wenn man mal, wie Anne Clark, einen geschrieben hat. Seit 1984 hat „Our Darkness“ jedenfalls gerne und häufig und über jedes Verfallsdatum hinaus noch immer einen kleinen Platz auf einer Playlist abbekommen. Das dürfte nun mittlerweile auch weitgehend vorbei sein, was aber auch erlaubt, den Blick auf das weit über 20 Jahre und fast schon unzählige Projekte umfassende Gesamtwerk der Britin zu lenken. Hier zeigt sich dann, wofür Anne Clark letztlich immer stand: nämlich für die unbedingte Lust an der Innovation in der elektronischen Musik, die sich nicht davor scheut, Einflüsse aus Folk oder Klassik in ein düster-tanzbares Gewand zu kleiden und mit persönlichen Spoken Words-Introspektionen zu versehen. So, 25. 7., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36 Kaia Wilson ist manchen noch als eine Beteiligte der für die Dyke- und Queercore-Bewegung wegweisenden „Team Dresch“ in Erinnerung. Es folgten die weitaus weniger punkigen, eher an sonnigem Pop orientierten „Butchies“. Nun ist die US-Amerikanerin solo bzw. nur mit Schlagzeugerin unterwegs und nutzt ihre Teilnahme am Tischtennis-Wettbewerb der Gay Games zu einer kleinen Runde im doppelten Sinne. In der ersten Runde gibt es schöne, leicht zerbrechliche und meist getragene Halbakustik-Popsongs irgendwo zwischen den oben genannten Bands und Mary Lou Lord, in der zweiten Runde spielt Frau Wilson das Publikum an der Tischtennisplatte vermutlich an die Wand. Mo, 28. 7., 21 Uhr, Störtebeker/Buttclub, Hafenstraße 126 NILS SCHUHMACHER