OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Der Beginn einer Legende: In „James Bond – 007 jagt Dr. No“ (1962) trat ein gewisser Doppelnull-Agent aus den populären Spionageromanen von Ian Fleming erstmals auf die Leinwand, trank einige nicht gerührte Martinis und begründete eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. Neben Sean Connery, der den Lady- und Bösewichtkiller Bond mit Macho-Charme, Ironie und viel Aplomb verkörperte, war es vor allem ein gebürtiger Berliner, der Entscheidendes zur Popularität des Agententhrillers beitrug: Ken Adam, seit Ende der 40er Jahre in England (wohin er 1934 als Jude gemeinsam mit den Eltern geflüchtet war) als Filmausstatter tätig, durfte sich – bei vergleichsweise geringem Budget – als Production Designer erstmals so richtig austoben. Während Regisseur Terence Young bereits zu den Dreharbeiten auf Jamaika weilte, baute Adam in den Pinewood-Studios die Sets für die Räumlichkeiten, Laboratorien und Verließe des Schurken Dr. No: moderne, weitläufige und kalte Räume mit Granitwänden und Metalltüren, in denen auch betont plüschige Accessoires keinen Eindruck von Heimeligkeit erwecken können. Eine Architektur des technischen Fortschritts und des übersteigerten Machtstrebens gleichermaßen. (OmU, 26. 7., Freiluftkino Mitte)

Molières Theaterstück um den frömmelnden Heuchler „Tartüff“, der sich in die Gunst eines reichen Mannes einschleicht, um ihn um seine irdische Güter zu bringen, verfilmte F. W. Murnau 1926 als Film-im-Film-Geschichte: Drehbuchautor Carl Mayer hatte das Stück in eine moderne Rahmenhandlung gebettet, in der ein junger Mann versucht, seinen Großvater aus den Fängen einer hinterlistigen Haushälterin zu befreien. Dazu führt er den beiden in der Maske eines Wanderkino-Schaustellers einen stilisierten Tartüff-Film vor, in dem drei der bedeutendsten deutschen Stummfilmstars ihre Kunst darbieten: Emil Jannings kann trotz verkniffen-frömmelndem Gehabe den tatsächlichen Genussmenschen Tartüff nur schwer verbergen, während Werner Krauss als Herr Organ durchgeistigt und servil wirkt. Um Tartüff schließlich zu entlarven, muss sich die schöne Lil Dagover schon ziemlich ins Zeug legen. (25. 7., Arsenal)

Ein Kommissar und drei Gangster bewegen sich fatalistisch-unausweichlich aufeinander zu – so erzählt Jean-Pierre Melville die Geschichte der „Vier im roten Kreis“. Die Gangster, Alain Delon, Gian-Maria Volonté und Yves Montand wollen einen Juwelier durch einen ausgeklügelten Coup berauben, der Kommissar (André Bourvil) rückt ihnen näher, indem er ihre Bekannten unter Druck setzt. Der Coup gelingt (in einer spektakulären halbstündigen Sequenz ohne Dialoge), doch am Ende erwartet die Gangster der Tod. Es geht um Freundschaften und den Wiedergewinn von Selbstachtung, doch der Film ist durch und durch pessimistisch und düster, dabei hochgradig stilisiert und unerbittlich inszeniert. „Alle Menschen sind Verbrecher, jeder ist schuldig“, lässt Melville den Polizeichef sagen, und es scheint, als ob er recht hat. (OmU, 24.–25. 7., Lichtblick) LARS PENNING