Art Biesenthal oder LandArt 2010

Derzeit wühlen sich die Kunstmaulwürfe durch das Gelände

Die charmanteste Idee stammt von Paul Ekaitz. Das mächtige Stahlscharnier, das der 1977 in Barcelona geborene Künstler am rechten hinteren Hauseck angebracht hat, vermittelt unwillkürlich den Eindruck, man könnte die modernistisch-minimalistische Architektenkiste, die sich hinter einer historischen Stuckfassade versteckt, zusammenklappen und wegschieben.

Die pompöse Fassade ist das Einzige, was von der Villa noch übriggeblieben ist, die einmal an eine mittelalterliche Wehrmühle angebaut war. Die Mühle existiert inzwischen so wenig wie die höher gelegene Burg, für deren Verteidigungsring sie einst das Wasser der Finow staute. Hier in Biesenthal im Barnimer Land, rund eine Stunde von Berlin entfernt, hat sich der Jungunternehmer Michael Hecken niedergelassen und hat hinter die alte Eingangsfront den üblichen sachlich-weißen Wohnkubus geschoben, der moderne Eleganz und Transparenz signalisiert, mit riesigen Fenstern, die sich zum Garten hin öffnen.

Wie heutzutage viele Jungunternehmer ist auch Michael Hecken ein Freund der bildenden Kunst. Daher organisiert er seit 2006 auf seinem Anwesen jeden Sommer die Art Biesenthal, seit letztem Jahr unterstützt vom Berliner Galeristen Stephan Koal. Die private Kunstausstellung passt an einen Ort, an dem – so die Selbstauskunft im Internet – „viel gearbeitet, geheiratet, gefeiert, diskutiert, musiziert, erfunden (und) entwickelt wird“. Und wo „vom Vorstellungsgespräch bis zum Businessmeeting, vom Kongress bis zum Filmshooting“ alles denkbar ist.

Im Moment nun wühlen sich also die Kunstmaulwürfe von Katja Kollowa durch das Gelände, auf dem man 25 kleine, steingraue Erdauswurfshügel zählt. Neben der Künstlerin vom Jahrgang 1979 nehmen noch 15 weitere ihrer Kollegen und Kolleginnen teil. Es sind bekannte Namen dabei wie Michael Sailstorfer, der in einer Fotoarbeit den „Schwarzwald“ ganz wörtlich nimmt – als ein mit schwarzer, natürlich umweltverträglicher, Farbe eingesprühtes Stück Wald. Oder Via Lewandowksy, der 2008 eine frisch bemalte Leinwand mit ihrer nassen Seite so auf der Schlafzimmerwand drehte, dass sie eine schwungvolle halbkreisförmige Farbspur hinterließ, die Lewandowsky als „Shadow of your smile“ interpretierte.

Martin Flemming, Meisterschüler von Tobias Rehberger, nimmt mit einer vermeintlichen Hommage an Malewitsch für sich ein. Ein Trugschluss, denn der weiße, verglaste Rahmen um das schwarze Quadrat ist nicht geschlossen, und diese Fehlstelle wird zur Tür, die aus dem Bild ein räumliches Modell macht, den „Exhibition Space II“, in den sich auch schon ein Fliege verirrt hat. Just so, wie sich die Ausflügler ins romantische Umland von Berlin eben auf die Art Biesenthal verirren. Dort hat sie dann – mit ihrer Kunst und ihrem Lifestyle – die Metropole wieder. Die Gentrifizierung verschont auch die nicht, von denen sie ausgeht: die Gentry. BRIGITTE WERNEBURG