Das Brechen brechen

Weitere Kritik an Brechmittelvergabe an mutmaßliche Dealer. Auch Ärztekammer fordert Ende der Praxis

Mit Zustimmung hat die Ärztekammer Hamburg auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum gewaltsamen Einsatz von Brechmitteln gegen Drogendealer reagiert. Der Senat müsse nun „die Rechtslage auf Landesebene zeitnah dem Urteil anpassen“, forderte gestern Kammer-Vizepräsident Klaus-Otto Allmeling.

Wie in anderen Bundesländern sollten mutmaßliche Drogendealer zwischen freiwilliger Einnahme von Brechmitteln oder bis zu vier Tagen Gefängnisaufenthalt nach Einnahme von Abführmitteln wählen können, findet Allmeling. Die Kammer hatte sich bereits mehrfach gegen erzwungenen Brechmitteleinsatz ausgesprochen.

Der EuGH hatte am Dienstag beschlossen, dass Brechmitteleinsätze inhuman und ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention seien. In Hamburg und in Bremen waren 2001 und 2004 je ein mutmaßlicher Drogendealer bei der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln gestorben.

Auch die „Humanistische Union“ forderte gestern Hamburg und Bremen auf, die Praxis „sofort und auf Dauer einzustellen“. Die beiden Bürgerschaften sollten „unverzüglich in dieser Angelegenheit aktiv werden“, also die Vergabe von Brechmitteln gesetzlich verbieten. „Die staatliche Anordnung der Brechmittelvergabe ist eine Aufforderung zur Folter“, stellte auch der Hamburger Flüchtlingsrat fest. Nach dem Straßburger Urteil müsse das „sofort beendet werden“.

Bremen hat jetzt einer „Aussetzung“ der zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln zugestimmt, nicht jedoch der Abschaffung. Der Hamburger Senat sieht keinen Handlungszwang, er will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sieht seine Politik hingegen bestätigt. Es gebe „stets mildere Mittel“ als die zum Brechen. Sven-Michael Veit