Glänzen muss das Blech

FOTOS Warum gibt es in Albanien so viele Autowaschanlagen und wer nutzt sie? Zwei Argentinier nähern sich mit einer Fotoausstellung dem albanischen Alltag

Zwei Männer in Gummistiefeln wienern vor einer Bergkulisse einen Mercedes: Lavazho Oazi, Autowasch-Oase, steht über ihnen

„Was bedeutet Verwaltung für Sie? Wie sehr sind Sie befreundet? Wie elastisch sind Sie?“ Wer den „Kleinen Salon“ in Kreuzberg betritt, wird sofort mit Fragen bestürmt. 40 davon rund um die Themen Albanien, Verwaltung und Autos lassen Mijal Bloch und Leandro Uría jeden Besucher ihrer Fotoausstellung „Lavazho – die neuen Wege von Albanien“ ausfüllen. Nur wer den Bogen ausgefüllt in eine Box wirft, bekommt einen Stempel mit dem Wort „Lavazho“ und darf sich in der Küche ein original albanisches Gericht holen.

„Lavazho“ bedeutet auf Albanisch „Autowäsche“. Das Wort prangt dort in handgemalten Lettern auf Hausfassaden, Dächern, herumstehenden Öltanks. „Wir haben diesen Schriftzug an den verlassensten Orten und absurdesten Stellen gefunden – es war wie ein Geheimnis, das nur den Einheimischen bekannt ist“, erzählt die argentinische Fotografin Mijal Bloch, die zusammen mit ihrem Mann Leandro Uría letztes Jahr durch Albanien reiste. Eigentlich hatte das in Berlin lebende argentinische Paar eine reine Urlaubsreise geplant. Doch das Rätsel der „car washs“ – gern mit überdimensionaler USA-Flagge auf dem Dach – ließ sie nicht los: Wieso braucht ein kleines Land mit vergleichsweise unterentwickelter Verkehrsinfrastruktur so viele Autowaschanlagen? Wieso sind vielerorts halbe Dörfer unvollendet im Rohbau erstarrt, haben aber drei „lavazhos“? Gibt es genug Kunden für dieses Business?

Das gute Dutzend Fotos an den Wänden des „Kleinen Salons“ liefert keine Antworten, jedenfalls keine direkten. Man sieht einen leeren Parkplatz, an einer Zaunlatte hängt ein rostiger Eimer mit Schwamm – lavazho für Arme. Oder zwei Männer in Gummistiefeln, die vor imposanter Bergkulisse einen Mercedes wienern: „Lavazho Oazi“, Autowasch-Oase, steht über ihren Köpfen.

Die Besucher der Ausstellung, Exil-Lateinamerikaner und kulturinteressiertes deutsches Galeriepublikum, rätseln an diesem Tag gutgelaunt über die albanischen Kuriositäten. „Ein Volk von Autowäschern“, kichert eine Frau. „Das Land mit der höchsten Mercedes-Dichte der Welt“, weiß ein Ethnologe, der zwei Jahre lang vor Ort albanische Sitten studierte. In Albanien, erzählt er, würde praktisch jeder einen Mercedes fahren. Die Gebrauchtwagen aus Deutschland – Limousinen und Nutzfahrzeuge – hätten meist noch die Original-Firmenschilder: Autohaus Weinberger etwa oder Schreinerei Schultze und Söhne.

In dem ehemals kommunistischen Land gelten dicke Autos als Inbegriff des kapitalistischen Fortschritts, ebenso wie neue Häuser und die Bewunderung des „American way of life“. „Lavazho ist eigentlich kein albanisches Wort“, erklärt eine Albanerin, die sich neben den Ethnologen gestellt hat. „Es ist dem Italienischen entlehnt. Aber so, wie das Ganze durchgeführt wird“ – sie deutet auf das Foto eines heruntergekommenen Rohbaus, an den eine nagelneue Waschstraße angebaut ist –, „ist es typisch albanisch“. Korruption sei ein Riesenproblem, sagt sie, der Weg in die EU noch weit. Die Ausstellung der argentinischen Kulturtouristen lobt sie als gut beobachtet, aber nicht überheblich.

„Uns als Südamerikanern sind Korruption, Armut und Kapitalismusgläubigkeit nicht fremd“, sagt der Journalist Leandro Uría, der sich während des Kurzurlaubs in Albanien verliebt hat. Er plant bereits das nächste Fotoprojekt: die zahllosen Bunker aus der Zeit Enver Hoxhas, die noch immer das Land überziehen. NINA APIN

■ Noch bis 1. Februar im Kleinen Salon, Manteuffelstr. 42