IM TIERPARK: Frühe Formen
Die Sonne scheint uns grell ins Gesicht. Die Kleinkindberliner haben es noch nicht nach Friedrichsfelde in den Tierpark geschafft. Nur die Rentnerinnen sind schon da. Sie stehen vor Bäumen und füttern Vögel. „Bis zu acht Arten kommen“, sagt eine ungefragt. Ein Kleiber und eine Blaumeise picken Samen auf. Kleiber laufen Bäume kopfüber herunter, erklärt sie.
Wir machen unsere übliche Runde, von den Hirschen zu den Schweinen, Kamelen, Flamingos, Elefanten und Moschusochsen. Der Imbiss hat noch zu, also muss es wieder die Cafeteria mit den Aquarien sein. Das ist ein magischer Ort, denn hier ist alles wie früher. Die Fusilli heißen Spirelli, es gibt gefüllte Paprikaschote, und die Portion Milchreis würde zwei Bauarbeiter satt machen. Die am Ausschank gehen mit der stoffeligen Effizienz von HO-Verkäufern zu Werke. Auch hier tummeln sich Ost-Omas.
Es gibt aber auch die jungen Ausflügler mit den erst staunenden und dann überheblichen Blicken. Sie bewegen sich in der Cafeteria wie Ethnologen, begutachten fremde Arten und Verhaltensweisen. Sie scheinen augenblicklich zu wissen, dass sie hier frühe Formen des Menschseins begutachten. Ihre Beobachtungen teilen sie dann genau so im Bekanntenkreis mit. Es klingt wie der Bericht von Mungo Park, der zum ersten Mal einen Serawullih erblickt. Nicht unfreundlich lassen sie sich über Artefakte aus, die sie im tiefen Osten Berlins gemacht haben. „Schräg“ sei das schon und „doch irgendwie cool“ – „so ursprünglich“.
Die Prenzl- und Kreuzberger, sie begucken nicht nur das Imponiergehabe des Oberpavians und wie er sich vor Publikum einen abrubbelt, sie schauen sich auch sehr genau die Zweibeiner an, die von ihren Plattenbauten herübergekommen sind. Anschließend wird über artgerechte Haltung diskutiert. Am Ende steht fest, dass es im Osten noch viel zu tun gebe. MARKUS VÖLKER
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