DIE REAKTIONEN AUF DIE ANSCHLÄGE VON BOMBAY ZEUGEN VON VERNUNFT
: Kein Ende der Entspannung mit Pakistan

Bombenattentate sind in Indien keine Seltenheit. Doch die Bombenserie, die am Dienstagabend in sieben Vorortzügen in Bombay detonierte und über 200 Opfer forderte, war ein besonders schwerer Terroranschlag. Er erinnerte an die Attentate in Madrid und London und bedurfte wegen der mutmaßlich koordinierten Fernzündung von Plastiksprengstoff hoher logistischer Fähigkeiten.

Nach Ansicht vieler Inder kommt dafür vor allem eine aus dem Kaschmir-Konflikt bekannte und aus Pakistan heraus operierende islamistische Terrorgruppe wie die Laschkar-i-Taiba in Frage. Doch in ihren offiziellen Reaktionen zeigt sich die indische Regierung bisher – auch aufgrund der bislang noch dürftigen Indizienlage – erfreulich zurückhaltend. Diese Zurückhaltung dürfte nicht zuletzt vom Bedürfnis geleitet sein, jedwede Racheaktionen an indischen Muslimen zu verhindern.

Nicht immer reagierte man in Indien so besonnen: Als im Dezember 2001 mutmaßliche Kämpfer der Laschkar-i-Taiba das Parlament in Delhi attackierten, ließ Indien seine Truppen an der Grenze zu Pakistan aufmarschieren und drohte, die Basen der Angreifer in ihrem Herkunftsland zu zerstören – so, wie es jetzt gerade Israel im Gaza-Streifen und im Libanon versucht. Beide Atommächte standen kurz vor einem Krieg.

Auch Pakistan hat jetzt erfreulich schnell die Anschläge im Nachbarland verurteilt. Schon vor einiger Zeit hat Islamabad Laschkar-i-Taiba offiziell verboten, doch wurde die Gruppe nicht wirklich zerschlagen; nach dem Erdbeben vom Oktober konnte sie sogar mit ziviler Hilfe für sich werben. Offen ist auch, inwieweit die Regierung den Militärgeheimdienst ISI, der früher die Terrorgruppen in Kaschmir steuerte, wirklich noch unter Kontrolle hat oder ob dieser nicht vielmehr die Entspannung mit Indien zu torpedieren versucht.

So zeugen die ersten Reaktionen auf beiden Seiten vom festen Willen, sich die vorsichtige Annäherung nicht von Extremisten zerbomben zu lassen. Das ist, wie auch die bisherigen Reaktionen der Bevölkerung Bombays, ein ermutigendes Zeichen.

SVEN HANSEN