Ändschela – yes

Der US-Präsident preist die deutsche Kanzlerin: „Ein Herz voller Demut“

Merkel ist für Bush ein Beispiel: Für einen Weg von der Diktatur in die Freiheit

VON JENS KÖNIG

Was genau war das jetzt eigentlich? Ein Gipfeltreffen des amerikanischen Präsidenten mit der deutschen Kanzlerin in politisch aufgeregten Zeiten? Ein Bildungsurlaub mit dem Themenschwerpunkt „Ostdeutschland gestern und heute“ für einen DDR-unkundigen Texaner? Oder ein privates Grillfest im Wahlkreis von Angela Merkel für schlappe 20 Millionen Euro?

Ganz am Anfang und ganz am Ende des rund 30-stündigen Besuches von George Bush in Mecklenburg-Vorpommern konnte man gar nicht anders, als an einen entspannten Sommerausflug zweier wirklich guter Freunde zu denken, die kurz davor sind, zu überlegen, ob aus ihnen nicht doch noch ein Paar werden könnte. Die waren so vertraut miteinander, dass sie sich nicht einmal durch die Anwesenheit des Fernsehens und damit durch schätzungsweise zehn Millionen Zuschauer stören ließen.

Ganz am Anfang – das war am Donnerstagvormittag auf dem Alten Markt in Stralsund. „George“ und „Ändschela“ standen sich dort gegenüber, gaben sich zur Begrüßung ein Küsschen links, ein Küsschen rechts, und anschließend verlor der gut gelaunte Präsident über seine Gastgeberin ein paar überschwängliche Worte, für die andere viel Geld bezahlen würden. George Bush pries Angela Merkel ganz umsonst als „tolle Kanzlerin“ und „guten Freund“, als Frau mit „kühnen Visionen“ und einem „Herzen voller Demut“, als Politikerin mit der Bereitschaft, „harte Entscheidungen zu treffen“. Danach wartete man unwillkürlich auf die Antwort: „Ja, ich will.“ Sie blieb jedoch aus. Die Kanzlerin lächelte und schwieg.

Ganz am Ende des Besuches – das war beim Grillabend in dem kleinen Dorf Trinwillershagen. Wieder die gleiche privat anmutende Atmosphäre, ein Wildschwein am Spieß, ein paar handverlesene Gäste, die durch den Hinweis „casual“ im diplomatischen Programmheft dazu aufgefordert worden waren, lässige, sportliche Kleidung zu tragen, was allerdings nicht allen gelang.

Zwischendurch wurde an diesem Donnerstag natürlich auch noch ein bisschen Weltpolitik gemacht. Zwei Stunden sprachen Bush und Merkel in Stralsund miteinander und arbeiteten dabei die dringlichsten Fälle der internationalen Agenda ab: Iran, Irak, Afghanistan, G-8-Gipfel in Russland, der israelische Angriff auf den Libanon. Der Präsident setzte auf der anschließenden Pressekonferenz seine vormittägliche Lobeshymne auf die Kanzlerin nahtlos fort. Die Unterredung mit ihr stufte er kurzerhand als „Strategiesitzung“ ein. Dieses flotte Verständnis von Strategie könnte zwar einige Entscheidungen der amerikanischen Außenpolitik in den letzten Jahren erklären, in Bezug auf das Stralsunder Gespräch dürfte es aber wohl doch eher eine Übertreibung sein.

Immerhin lässt diese euphorisierte Einschätzung aber darauf schließen, dass der Präsident ganz gern mit der Kanzlerin diskutiert. In einigen Fragen haben sie ja auch, wie sie vor der Presse erläuterten, Übereinstimmung erzielt. Sie betonten das gemeinsame Vorgehen gegen den Iran im UN-Sicherheitsrat. Sie forderten Präsident Wladimir Putin auf, in Russland mehr Meinungsfreiheit zuzulassen. Sie rechtfertigten den Einmarsch Israels in den Libanon als einen Akt der Selbstverteidigung und verurteilten den „Terror“ (Bush) der libanesischen Hisbollah-Miliz.

Bei aller Angespanntheit der internationalen Lage – mehr als ein lockeres Vorgeplänkel für den am Wochenende in St. Petersburg stattfindenden G-8-Gipfel war das Gespräch zwischen Bush und Merkel nicht. Sogar die Bundesregierung selbst hatte im Vorfeld die private Seite des Treffens hervorgehoben. Sie sprach von einem „ganz wichtigen atmosphärischen Besuch“. Ein gutes persönliches Verhältnis von „George“ und „Ändschela“ soll Deutschland dabei helfen, seiner wachsenden Rolle im Alltag der internationalen Krisendiplomatie gerecht zu werden.

Auch hier hat Merkel von ihrem Förderer Helmut Kohl gelernt. Kohl hat seinem Freund Gorbatschow die Nato-Mitgliedschaft eines vereinigten Deutschlands im Kaukasus in Strickjacke abgehandelt. Merkel hat bei ihrem Besuch in Washington im Mai dem Präsidenten viel aus ihrem Leben in der DDR erzählt. Bush hat das offenbar fasziniert – eine Frau, die im Kommunismus groß geworden ist, im Westen eine beeindruckende politische Karriere hinlegt und jetzt beständig vom Wert der Freiheit spricht. Egal, ob er die deutsche Kanzlerin deswegen auch persönlich mag oder ob er nur so tut, Angela Merkel ist für ihn ein lebendiges Beispiel seiner „Freiheitsagenda“: Wer in einer Diktatur aufwächst, kann allemal ein guter Demokrat werden, ob in Ostdeutschland, im Irak oder sonst wo auf der Welt.

Deswegen ist George Bush zum ersten Mal in seinem Leben nach Ostdeutschland gereist. „Das ist ja ein wunderschöner Flecken Erde hier“, hat er festgestellt. Es scheint ihm gefallen zu haben.