WAS WIRKLICH WEH TUT
: Verbranntes Geld

Nur nasse Hosen sind noch schlimmer

Wenn sich die Nacht dem Ende nähert, die blaue Stunde Vergangenheit ist und Konnopke schon seit einigen Stunden wieder geöffnet hat, um die unflätigen Bauarbeiter und übrig gebliebenen Nachtschwärmer der Hauptstadt zu versorgen, dann fallen die Hemmungen. In den Kneipen der umliegenden Straßen werden nun auch die Themen behandelt, die sonst unter den Tisch fallen. Ob ethnische Minderheiten oder Sterbehilfe, wer beim 15. Bier immer noch keine Tabus brechen kann, der wird es wohl niemals lernen. Tabubrüche sind, wie eventuell erwartet, eigentlich nicht das Problem meiner Stammtischfraktion. Ob Schabernack oder Kauderwelsch, hier ist alles willkommen. Viele Probleme werden vorgetragen, ebenso viele Lösungen – nur passen diese fast nie zu dem beschriebenen Problem, doch was soll’s.

Schlaftrunken sitze ich am Tresen, neben mir brabbelt einer was von der Diktatur als Lösung für die Finanzkrise. Mitten in diesem armseligen und uninteressanten Bild leuchtet plötzlich ein helles Licht. Der Mann, den sie „Johnny“ nennen, verbrennt mitten in einem Gespräch einen 5-Euro-Schein und redet gedankenverloren weiter. Ungläubiges Staunen, Sprachlosigkeit und Empörung, so weit das Auge reicht. Jeder der Anwesenden hat schon mindestens das Monatsgehalt eines indischen Universitätsprofessors in die alkoholischen Getränke investiert, aber das hier geht den meisten dann doch zu weit. Geld verbrennen? Einfach so? Der eine oder andere fühlt sich gar persönlich angegriffen, die anerzogenen kapitalistischen Grundwerte sind eben tiefer verankert, als man denkt. Die Diskussion droht auszuufern, da tut uns Johnny den Gefallen und kippt sein Bier über den reichlich bedeckten Tisch, sorgt somit unter anderem für kaputte Telefone und die Gewissheit, dass nasse Hosen noch schlimmer sind als verbranntes Geld. JURI STERNBURG