Wieder eskaliert die Gewalt

Beiruts Flughafen beschossen, Seeblockade vor der Küste: Israelische Truppen haben den Libanon isoliert

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Der internationale Flughafen von Beirut wurde gestern nach israelischen Luftangriffen geschlossen. Entlang der Küste postierten sich israelische Kriegsschiffe, um den „Transfer von Terroristen und Waffen zu den im Libanon operierenden Terrororganisationen“ zu stoppen, wie ein Militärsprecher sagte. Die libanesisch-schiitische Hisbollah beschoss umgekehrt den Norden Israels mit Raketen. Dabei kam eine Frau ums Leben, mehrere Menschen wurden verletzt.

Ganz oben auf der Liste der israelischen Angriffsziele steht Hassan Nasrallah, Chef der Hisbollah, der hinter der Entführung der beiden Soldaten steht und sie gegen „tausende libanesische, palästinensische und arabische Häftlinge“ eintauschen möchte. Verhandlungen kommen für die israelische Regierung indes nicht in Frage. Stattdessen forderte sie dazu auf, die Bevölkerung aus dem Beiruter Wohnviertel zu evakuieren, in dem Nasrallah lebt.

Im Norden Israels flüchten die Menschen immer wieder in die Bunker. Wer kann, solle in den Süden gehen, so der Aufruf des Bürgermeisters von Kirjat Schmona. Die nördlichste Stadt Israels ist längst nicht mehr einziges Ziel der Hisbollah. Ihre Katjuscha-Raketen erreichen mittlerweile Ziele in bis zu 15 Kilometer Entfernung. Militärexperten berichteten zudem von modernen Kurzstreckenraketen, über die die schiitische Widerstandsbewegung verfügen soll, zusätzlich zu den von der Hisbollah selbst erklärten 10.000 Katjuschas.

Die harten Maßnahmen der israelischen Armee seien, so erklärte Israels Verteidigungsminister Amir Peretz, „der Preis“ dafür, dass die libanesische Regierung „über Jahre eine kleingeistige Einstellung“ verfolgte und versäumte, die eigenen Truppen im Süden Libanons zu stationieren. Israel werde nicht zulassen, dass die Hisbollah in den Südlibanon zurückkehre. Bei Luftangriffen wurden am ersten Tag allein im südlichen Libanon mindestens 36 Zivilisten getötet.

Peretz genießt gemeinsam mit Premierminister Ehud Olmert vorläufig volle Rückendeckung. Abgesehen von den arabischen Parlamentariern herrscht in der Knesset parteiübergreifende Zustimmung zu den Angriffen. „Wir dürfen nicht nach den Spielregeln der Hisbollah agieren“, kommentierte Justizminister Chaim Ramon (Kadima), „und erst dann reagieren, wenn die libanesischen Extremisten angreifen.“ Diesmal müsse eine langfristige Lösung gefunden werden, sagte er. „Wer unsere Soldaten auf israelischem Boden angreift, der muss einen so hohen Preis dafür bezahlen, dass er es sich 20-mal überlegt, bevor er es noch mal tut.“

So umstritten die Invasion im Gaza-Streifen in der israelischen Öffentlichkeit diskutiert wurde, so geschlossen steht das Volk hinter den Angriffen gegen Libanon. Noch vor wenigen Tagen schrieb die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Achronot, Olmert „lässt keine Maßnahme aus, um sicherzustellen, dass Gilad in Gefangenschaft bleibt“. Der israelische Gefreite Gilad Schalit war vor knapp drei Wochen von Hamas-Kämpfern entführt worden. Der Einmarsch von Bodentruppen im Süden des Gaza-Streifens brachte die Suche nach ihm keinen Schritt weiter. Ebenso stellt sich die erneute Stationierung von Bodentruppen im Norden des Gaza-Streifens, die darauf abzielte, den Beschuss der palästinensischen Kassam-Raketen zu stoppen, als erfolglos heraus. „Diesen Krieg muss Israel gewinnen“, schrieb Sever Plotzker von Yediot Achronot gestern. Sollten Hamas und Hisbollah die Oberhand gewinnen, „würde sich das zionistische Projekt seinem Ende nähern“.