Der unbedingte Wille zum Witz (kann auch unfreiwillig passieren): Pathos, Punk und Electrobeats mit Stakeout, Keule und Das Gezeichnete Ich

Achtung, jetzt wird’s lustig. Auf dem Cover von „Geschenk an die Welt“ ragt ein Arm aus einer Kloschüssel und innen drin schreiben Stakeout dann ein Quiz aus. Jedem, der „alle Anspielungen, Verbeugungen, Reminiszenzen und Namen – sowohl musikalisch als auch textlich – entdeckt“, werden „zwei Beutel Linsen und ein Glas Senf-Eier“ versprochen.

Auch wenn diese kleine Kolumne ein großer Fan des Senf-Eis ist, will sie sich trotzdem nicht an diesem sicherlich sehr unterhaltsamen Wettbewerb beteiligen. Nur so viel: Stakeout haben sicherlich schon mal was von Die Ärzte gehört, vielleicht sogar das eine oder andere Lied. Auch die Toten Hosen sind ihnen nicht ganz unbekannt. Ihr Prinzip ist schließlich: Heutzutage kann man eh nur noch gut klauen. Auch ansonsten schrecken sie vor nichts zurück, ihr Humor kennt kaum eine Grenze, vor allem nicht nach unten. Da treffen sie dann auf Mario Barth. Oder auch den „Selbständigen Alkoholiker“ aus dem gleichnamigen Song, dem die Gesellschaft erfolgreich vorgaukelt, auch ohne jedes Talent ein Superstar werden zu können (Nein, damit ist jetzt nicht schon wieder Mario Barth gemeint). Aber Stakeout haben in „Mein Sofa gegen das System“ auch Häme übrig für jene Berufsrevoluzzer, die eigentlich nur zu faul zum Arbeiten sind. An solchen Stellen fällt allerdings auf, auch wenn Stakeout das nicht gerne hören werden: Hinter dem unbedingten Willen zum Witzigsein versteckt das Berliner Quartett dann doch noch eine gehörige Portion Anspruch und Sendungsbewusstsein. Sonst wär’s ja wohl auch kein richtiger Punkrock.

Obacht, es bleibt lustig. Auch wenn bei Keule die Vorgeschichte der Tatbeteiligten nicht darauf hindeutet, war Sera Finale doch mal ein ernsthafter Rapper und Claus Capek Teil einer Popband, die ungefähr so aufregend war wie ihr Name, nämlich Band ohne Namen. Ihre erste gemeinsame EP aber heißt „Ich hab Dich gestern Nacht auf YouPorn gesehen …“ und bietet genauso viel Grölgesang, simple Melodien und primitive Electro-Beats, wie dieser Titel bereits andeutet. Musikalisch also klingen Keule ungefähr wie Die Atzen, aber in die Texte retten sie dann ein wenig Resthirn.

Am schönsten ihre Hymne auf die „Liebe auf dem 1. Mai“: Da reimt sich dann „Steine flogen an uns vorbei“ auf „Wir fühlten uns endlich frei“. Und der Gipfel der Romantik ist schnell erreicht: „Du hattest Cocktails bei dir und du sagtest: Zünd dir einen an.“ Man könnte meinen, der Moritzplatz liegt mittlerweile auf Mallorca.

Vorsicht, das ist jetzt überhaupt nicht lustig gemeint. Das Gezeichnete Ich wird von seiner Plattenfirma als Konkurrenz zu Ich + Ich aufgebaut. Dazu schwelgt der Berliner, der sich hinter dem sperrigen Pseudonym verbirgt, auf seinem Debütalbum ausgiebig in Geigen und großen Gefühlen. Wie das aber so ist, wenn man allzu nah an der Tränendrüse operiert, ist man auch nicht weit vom unfreiwilligen Humor entfernt. „Und endlich findet sich der Frieden“, singt Das Gezeichnete Ich „endlich lernt der Hass zu lieben“. Und Lachen ist gesund. THOMAS WINKLER

■ Stakeout: „Geschenk an die Welt“ (Volksmusike/NMD)

■ Keule: „Ich hab Dich gestern Nacht auf YouPorn gesehen …“ (Styleheads/Universal), live am 28.7. im Waschhaus Potsdam

■ Das Gezeichnete Ich (Capitol/EMI)