CHRISTIAN RATH ÜBER DAS BAG-URTEIL ZUM ANTIDISKRIMINIERUNGSRECHT
: Die gläserne Decke

Auch hochqualifizierte Frauen bleiben in vielen Unternehmen oft im mittleren Management hängen. Für sie ist die Spitze zwar sichtbar, aber sie kommen nicht bis in die männlich dominierte Vorstandsebene durch. Soziologen sprechen von einem „glass ceiling“, einer unsichtbaren gläsernen Decke.

Frauen, die diese Barriere mit Hilfe des Antidiskriminierungsrechts durchbrechen wollen, haben es nun wieder etwas schwerer. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, genügt eine bloße Statistik über männlich dominierte Führungsetagen nicht, um die Beweislast in Diskriminierungsprozessen umzudrehen. Ein bahnbrechendes Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg wurde damit aufgehoben. Das Berliner Urteil hätte alle Unternehmen gezwungen, ihre Leitungsebene besser zu durchmischen. Kein Wunder, dass konservative Wirtschaftsvertreter das Urteil für gefährlich hielten und es jetzt in der Revision abräumen ließen.

Dabei kann man mit der Rechtsprechung des BAG durchaus leben. Die Erfurter Richter erkennen nämlich an, dass Statistiken ein wichtiges Indiz für eine diskriminierende Praxis sein können – aber eben nur eines. In einem diskriminierenden Unternehmen wird es meist genügend andere Indizien und Parallelfälle geben, so dass Klagen gegen die „gläserne Decke“ weiter möglich bleiben.

Der Gesetzgeber darf die Modernisierung der Unternehmenskultur aber nicht einzelnen mutigen Frauen überlassen. Er sollte vielmehr endlich branchenspezifische Quoten für die Führungsebenen von größeren Firmen einführen – und zwar nicht nur in den Aufsichtsräten (wie derzeit diskutiert wird), sondern gerade auch im Top-Management: dort, wo wirklich die Musik spielt.

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