leserinnenbriefe
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Nichts Positives erkennbar

■ betr.: „Demokratie ist kein Wunschkonzert“, „Öfter mal das Volk befragen“, taz vom 21. 7. 10

Zunächst gelingt es mir nicht, Positives an dem Hamburger Ergebnis zu erkennen. Für eine ernsthafte Auseinandersetzung bezüglich der in der Vergangenheit ergangenen bzw. nicht ergangenen Volksbegehren wäre erforderlich gewesen, die konkrete Zahl der erfolgreichen Volksbegehren im Vergleich zu den nicht erfolgreichen bzw. unzulässigen zu betrachten. Nur so kann ermessen werden, wie erfolgversprechend ein Volksbegehren auf Bundesebene wirken könnte (unabhängig von der Höhe der Unterschriftsquoren usw).

Ich habe große Bedenken, wie die große Mehrheit bei den „großen“ Fragen wie Atomausstieg und Rückzug aus Afghanistan tatsächlich abstimmen würde, zu groß sind die Manipulationsmöglichkeiten in den Medien. Man sollte sich nicht täuschen lassen durch beliebige Umfragewerte etwa vor Wahlen. Ich vermisse die Auseinandersetzung mit der Einführung der Todesstrafe, nach meinem Kenntnisstand ein Hauptargument gegen die direkte Demokratie. Ich halte es durchaus für denkbar, dass sich eine Mehrheit in diesem Staat für die Einführung der Todesstrafe, etwa bei brutalem Kindesmord oder besonderen Sexualdelikten, einsetzen könnte.

PETER SCHNEIDER, Bockenem

Demokratie ist kein Selbstzweck

■ betr.: „Demokratie ist kein Wunschkonzert“, taz vom 21. 7. 10

Der Kommentar von Gereon Asmuth könnte wegen des in ihm steckenden Erregungspotenzials, vermittelt über die Ausblendung jeglichen Zeitgeschichtswissens, als ein unfreiwilliger Beitrag zur finalen Kostendämpfung im Gesundheitswesen durchgehen. Anregungen, geschweige denn Erkenntnisse über das (sicherlich nicht ganz einfache) Verhältnis von Volksentscheiden und Demokratie liefert er dem taz-geneigten Leser jedoch keine. Der Grund ist einfach: Asmuth meint doch tatsächlich, man könne „die Form der Demokratie nicht von ihrem Ergebnis abhängig machen“. Welch eine folgenschwere Verkehrung von Mittel und Zweck: Man muss nicht nur die Demokratie, sondern auch ihre Form von ihrem Ergebnis abhängig machen! Denn Demokratie und demokratische Spielregeln sind kein Selbstzweck oder gar das Endziel aller Politik, wie offenbar (auch) große Teile der politischen Klasse meinen, sondern das weitaus beste Mittel zum Schutz und zur Durchsetzung der Menschenrechte und zur Erlangung von sozialer Gerechtigkeit.

WALTER GRODE, Politologe, Hannover

Gerechtfertigte Steuerschuld

■ betr.: „Nicolas Berggruen: ‚Reiche sollen mehr bezahlen‘“, taz vom 14. 7. 10

Herr Berggruen hat einfach den Wert einer sozialen Gesellschaft erkannt. Als Unternehmer benötigt man sozialen Frieden, gut ausgebildete Fachkräfte und eine vernünftige Kaufkraft, um selber Gewinne einzufahren. Die „starken Schultern“, von denen immer die Rede ist, sind nur deshalb so stark, weil diese Voraussetzungen der „schwachen Schultern“ ihnen zu diesen großen Gewinnen verhelfen. Je größer mein persönlicher Nutzen, desto größer auch meine Steuerlast. Es ist halt kein freiwilliges Almosen, was die „starken Schultern“ zur Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen, sondern die gerechtfertigte Steuerschuld, die es zu tilgen gilt.

ARNE MATSCHINSKY, Hamburg

Bezahlung verbessern

■ betr.: „Umschulungsprogramm. Schröder für mehr Männer in Kitas“, taz vom 21. 7. 10

Der Vorschlag von Familienministerin Schröder ist ja schön und gut, aber so nicht richtig durchdacht. Dieses Problem hat nichts mit Gleichstellungspolitik zu tun, sondern damit, dass der Beruf schlecht bezahlt ist und wenige Vollzeitstellen bietet. Wie soll da ein Mann, der leider häufig immer noch der Ernährer der Familie ist, diesen Beruf wählen? Außerdem ist die verkürzte Ausbildungszeit doch ungerecht gegenüber den Frauen, die bis zu fünf Jahre lernen müssen. Daher ist zu fordern, die Bezahlung zu verbessern (selbstverständlich auch für die Frauen) und die Ausbildung endlich an den Fachhochschulen anzusiedeln, damit wir die besten ErzieherInnen für unsere Kinder bekommen. So wird ein Schuh draus!

MICHAEL BECK, Braunschweig

Druck auf ArbeitnehmerInnen

■ betr.: „Fehlzeiten. Krankmeldungen auf Fünfjahreshoch“,taz vom 20. 7. 10

Ich bin nicht der Ansicht, dass die Erhöhung des Krankenstandes in Deutschland in einem kausalen Zusammenhang mit dem Ende der Wirtschaftskrise steht. Erstens merke ich persönlich nichts vom Krisenende, denn einschneidende Reallohnverluste stehen noch immer auf der Tagesordnung und schwächen bei vielen Bürgern die Kaufkraft empfindlich! Und zweitens ist der steigende Krankenstand in Wirklichkeit den zunehmenden Stressfaktoren in der Arbeitswelt geschuldet, denn sowohl bei der Wirtschaft als auch beim Staatsdienst werden seit einiger Zeit stringente Maßnahmen der Arbeitsverdichtung durchgeführt, die gerade psychische Erkrankungen und „Burn-out-Syndrome“ nach sich ziehen. Die jetzt veröffentlichte Statistik dient nur dem einzigen Zweck, weiteren Druck auf die Arbeitnehmer auszuüben! THOMAS HENSCHKE, Berlin