Keine Freiheit, kein Glück

Vor 70 Jahren begann der Spanische Bürgerkrieg. Drei neue Bücher erzählen von Vorgeschichte, Verlauf und der anschließenden Franco-Diktatur

VON RUDOLF WALTHER

Außer dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte kein Krieg das lesende und schreibende Publikum so schnell, so vielfältig und so nachhaltig wie der Spanische Bürgerkrieg, der am 17./18. Juli vor 70 Jahren begann. Bibliografien verzeichnen mittlerweile weit über 20.000 Titel, die sich mit dem Bürgerkrieg beschäftigen. Allein in diesem Sommer kommen auf Deutsch drei neue Bücher heraus.

Carlos Collado Seidel bietet eine prägnante und kurze Einführung, die auch Nichthistoriker über alle Aspekte des Bürgerkriegs, insbesondere die internationale Verflechtung, informiert. Das umfangreiche Werk des britischen Historikers Antony Beevor erzählt die Geschichte des Bürgerkriegs in allen Details und auf dem neuesten Forschungsstand. Als ehemaliger Berufsoffizier hat Beevor ein Faible für akribische Schlachtbeschreibungen, die nur Spezialisten interessieren dürften.

Walther L. Bernecker und Sören Brinkmann zeigen in ihrem Buch dagegen, wie der Sieger Franco bis zu seinem Tod die Erinnerungskultur autoritär steuerte. Von 1975 bis 2000 einigten sich die politischen Kräfte in Spanien auf einen „Schweigepakt“, was die Vergangenheit betrifft. Erst seit etwa fünf Jahren gibt es einen „Erinnerungsschub“ (Bernecker), dessen Reichweite die beiden Autoren für den politisch interessierten Leser differenziert darstellen.

Die Vorgeschichte des Bürgerkriegs beginnt in den 20er-Jahren mit der vom König geduldeten Diktatur von Miguel Primo de Rivera und dem Übergang zur Republik und ihrer liberalen Regierung (14. 4. 1931). Dieser verschärfte die Spannungen mehr, als er sie milderte, denn eine dünne Elite aus Großgrundbesitz, Militär, Kirche, Bürokratie und Wirtschaft beherrschte das Land weiterhin. Die Landreform blieb ebenso in Ansätzen stecken wie die Schulreform – 33 Prozent der Spanier waren vor 70 Jahren Analphabeten.

Die parlamentarische Rechte formierte sich gegen die Republik, und die Generalität konspirierte. Der Anführer der Verschwörung vom August 1932 – General José Sanjurjo – musste ins Exil. Von rechts erhob sich gewaltsamer außerparlamentarischer Widerstand gegen die sozialen Reformen, von links agitierten sozialistische und anarchistische Gruppen dafür, die Reformpolitik zu radikalisieren.

Bei den Neuwahlen zum Parlament im November 1933 gewann ein Bündnis aus reaktionären, konservativen und liberalen Parteien. Es verdankte seinen Sieg auch dem seltsamen Wahlrecht. Dieses sicherte einem Parteienbündnis, das mehr als 40 Prozent der Stimmen erreichte, 80 Prozent der Sitze. Das Mitte-rechts-Bündnis wurde durch ein einziges Ziel zusammengehalten: Die bescheidenen Reformen der vorangegangenen liberalen Regierung sollten schnell rückgängig gemacht werden. Die von dem Sohn des Diktators, José Antonio Primo de Rivera, gegründete Falange und nationalsyndikalistische Angriffsgruppen heizten die Konfrontation ebenso an wie Streiks von anarchistischen, sozialistischen und kommunistischen Gewerkschaften und der bewaffnete Aufstand der Bergarbeiter in Asturien im Oktober 1934.

Die Mitte-rechts-Regierung verfolgte die Arbeiterführer unerbittlich und verbot die oppositionelle Presse. Sie bewirkte damit eine Solidarisierung unter den verfeindeten anarchistischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien und den Gewerkschaften. Bei den Wahlen vom 16. Februar 1936 schlossen sich diese Gruppierungen erstmals zu einem Volksfrontbündnis zusammen, und selbst die Anarchisten, die sich bislang zu einem schroffen Antiparlamentarismus bekannt hatten, gaben ihre Vorbehalte auf und riefen nicht zum Wahlboykott auf. Das Programm des Bündnisses war defensiv und zielte vor allem auf die Fortsetzung der Agrarreform.

Das Parteienbündnis aus Republikanern, Liberalen und Linken gewann die Wahlen nach der Stimmenzahl knapp mit nur rund 150.000 Stimmen Vorsprung, aber nach Mandaten deutlich (278:171). Der neuen republikanisch-liberalen Regierung, die „Freiheit, Glück und Gerechtigkeit in Spanien“ versprach, wollten aber weder Sozialisten (PSOE), noch Kommunisten (PCE), noch die vereinigte marxistische Arbeiterpartei (POUM) noch Anarchisten angehören. Die Regierung geriet schnell von allen Seiten unter Druck, und die scharfe Polarisierung entlud sich im offenen Terror rechtsradikaler Todesschwadronen (pistoleros und requetes) gegen demokratische Politiker, aber auch in gewaltsamen Aktionen von links – bei Streiks, bei Landbesetzungen, bei Demonstrationen, bei politisch motivierten Morden.

Die Militärs warteten zunächst ab, schlugen jedoch zu, nachdem Polizisten am 13. Juli 1936 den Führer der Rechten – José Calvo Sotelo – entführt und ermordet hatten. Am 17. Juli rebellierten zunächst die Militärs in Nordafrika und am folgenden Tag einige Generäle im Westen und Nordwesten, während sich die Militärs im Osten und in großen Teilen des Südens des Landes loyal zur republikanischen Regierung verhielten.

Das Land war gespalten: Im Westen und Nordwesten siegten die Putschisten und Nationalisten, im Osten und Südosten dominierten die Liberalen und die Linken. Der Hass auf das Militär und vor allem die Kirche entlud sich in einem rabiaten linken Antiklerikalismus. In den ersten drei Monaten nach dem Putsch wurden zahlreiche Kirchen und Klöster verwüstet und fast 7.000 Priester ermordet.

Die Pattsituation änderte sich schnell. Das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien stellten sich schon zwei Wochen nach dem Putsch hinter die aufständischen Generäle. Deren Coup wäre zusammengebrochen, wenn nicht deutsche und italienische Flugzeuge seit Anfang August spanische Soldaten und marokkanische Söldner auf das Festland gebracht hätten: die erste Luftbrücke in der Kriegsgeschichte („Unternehmen Feuerzauber“). Die Sowjetunion unterstützte zwar die republikanische Seite, aber die erste sowjetische Waffenlieferung traf erst mit fast viermonatiger Verzögerung in Spanien ein.

Während der ganzen Zeit des Bürgerkriegs bestand eine Asymmetrie zu Lasten der republikanischen Seite. Die Befehlsstrukturen in der Volksarmee und in den fünf Internationalen Brigaden waren chaotisch. Erst mehr als ein Jahr nach Beginn des Bürgerkriegs verfügte die Republik über militärische Formationen, die man als Armee bezeichnen kann. Hinzu kam, dass die republikanische Seite heillos zerstritten war – und militärisch schnell in die Defensive geriet durch die „Politik der Nichteinmischung“ Frankreichs und Englands sowie die massive militärische Unterstützung Francos durch Deutschland und Italien. Die Rache des Siegers war unerbittlich, und die Diktatur endete erst mit Francos Tod am 20. 11. 1975.

Carlos Collado Seidel: „Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts“. C. H. Beck, München 2006, 218 Seiten, 12,90 Euro Antony Beevor: „Der Spanische Bürgerkrieg“. Aus dem Englischen von Michael Bayer, Helmut Ettinger, Hans Freundl, Norbert Juraschitz, Renate Weitbrecht. C. Bertelsmann, München 2006, 655 Seiten, 26 Euro Walther L. Bernecker, Sören Brinkmann: „Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936–2006“, Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2006, 377 Seiten, 20,50 Euro