owl und russland
: Demonstriert oder uriniert?

Wer sich mit Wladimir Putin anlegt, sollte vorher aufs Klo gehen. In Russland ist wegen des G8-Gipfels offenbar selbst das einfachste menschliche Bedürfnis ein Sicherheitsrisiko. Was genau den zwei Studierenden aus Ostwestfalen im russischen St. Petersburg passiert ist, bleibt bislang ungeklärt. Haben die beiden jungen Männer aus Nordrhein-Westfalen in der Zarenstadt demonstriert, fotografiert oder tatsächlich – wie von den russischen Justizbehörden behauptet – uriniert? Egal. Keine dieser möglichen Handlungen rechtfertigt eine Verurteilung und Inhaftierung. Deshalb muss Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Staatschef Putin beim heute beginnenden G8-Gipfel – mit Verlaub gesagt – „anpissen“. Sie muss Klartext reden und auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Menschenrechte drängen.

KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER

Ende Mai war in Moskau der homosexuelle Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck aus NRW von rechtsradikalen Schlägern tätlich angegriffen worden. Jetzt müssen offenbar auch vermeintliche Demonstranten aus dem Westen Angst haben. Man kann die beiden Ereignisse als bedauerliche Einzelfälle abtun. Man kann sie aber auch als betrübliche Beispiele für die autoritäre Staatsdoktrin von Präsident Wladimir Putin heranziehen. Beobachter kritisieren seit einigen Jahren, dass alles, was in Russland von der Norm abweicht, bekämpft wird – seien es nun Schwule, nonkonforme Organisationen der Zivilgesellschaft oder ethnische Minderheiten. Auch die Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gilt in Putins Russland als bedroht.

Können zwei Studierende aus Ostwestfalen-Lippe die russischen Verhältnisse verändern? Wohl kaum. Aber immerhin könnte der aktuelle Fall zu einer neuen Debatte über die Situation der Menschenrechte in Russland führen. Darum darf Angela Merkel nicht wieder Weichspülen wie anlässlich des jüngsten Bush-Besuchs beim Thema Guantanamo.