Rettung mit Risiko – „Augen zu, durch“?

Dem Klinikum Mitte droht der Konkurs, wenn jetzt investiert wird, sagt die Gesundheitssenatorin. Zwei Klinikchefs und ein Staatsrat sind gescheitert – keine gute Voraussetzung für ein „Augen zu und durch“, wirft ihr die grüne Karoline Linnert vor

Von Klaus Wolschner

In der Debatte der Bremischen Bürgerschaft haben sich diese Woche zwei Politikerinnen erbittert gestritten, die sich eigentlich meist gut verstehen: Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) und die grüne Fraktionschefin Karoline Linnert. Es ging um die kommunalen Krankenhäuser, um ihre Zukunft und um die Affäre um das Klinikum Ost und seinen suspendierten Chef.

Der Hintergrund

Mit den beiden aus der privaten Gesundheitswirtschaft kommenden Krankenhausmanagern Wolfgang Tissen und Andreas Lindner hat die Gesundheitsbehörde von Karin Röpke einen großen Investitionsplan für das defizitäre Klinikum Mitte erarbeitet, 191 Millionen Euro sollen ausgegeben werden, „die größte Investition nach dem CT IV“, beschreibt Linnert die Dimension. Wenn der geplante Neubau, der das alte Klinikum Mitte zu einem der modernsten der Region machen würde, nicht kommt, ist das Krankenhaus im Jahre 2011 Konkurs, sagt Röpke. Es gibt keine Alternative.

Aber die beiden Krankenhaus-Manager sind weg, der eine beendete seinen Vertrag im Februar vorzeitig „im Einvernehmen“ und schied mit einer Abfindung aus, der andere wurde suspendiert. Staatsrat Arnold Knigge, der für die kommunalen Kliniken zuständige Behördenchef, übernahm die Verantwortung für die mangelhafte Aufsicht und ging in den Ruhestand. Immerhin wollte Knigge noch vor wenigen Wochen den Mann, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt, zum Chef der größten Bremer Klinik an der St.-Jürgen-Straße machen.

„Geschönte Zahlen“?

Die Kalkulationen beruhen auf „geschönten Zahlen“ griff Linnert die Senatorin, die plötzlich ohne ihre Chefplaner dasteht, an. Die erwarteten Einsparungen seien nach dem Prinzip Hoffnung heraufgesetzt worden. Nachdem der „Masterplan“ seit drei Jahren in der Beratung ist, könne man noch einmal drei Monate warten, eine „Denkpause“ einlegen, um die offenen Fragen solide zu bearbeiten. Und vielleicht auch die Frage klären, ob es wirklich ein privater Investor sein muss, ob nicht die Modernisierung der Kliniken seriöser mit Haushaltsmitteln finanziert werden sollte. Wenn sich in fünf Jahren herausstelle, dass das „PPP“-Modell, eine Partnerschaft von privatem Investor und „public“ Mieter, nicht aufgeht, so Linnert, müsse der Senat doch Jahr für Jahr zuschießen. Der Chef der Klinik-Holding ist weg, der Staatsrat ist weg – warum jetzt die Devise „Augen zu und durch“ ausgeben? Für vorschnelle Beschlüsse trage Röpke allein die Verantwortung. Linnert bietet der Gesundheitssenatorin an, am Ende der Denkpause möglicherweise gemeinsam um eine solide Haushaltsfinanzierung des Neubaus zu streiten – um das Risiko der Abhängigkeit von dem privaten Investor zu vermeiden.

Masterplan – jetzt oder nie

Eine „schwierige Situation“, räumt die Senatorin ein. Aber es sei seit Jahren alles geprüft und vorbereitet, deswegen müsse man die Entscheidung über den Neubau des Klinikums „ohne Verzögerung auf den Weg bringen“. Auch wenn die Ziele „sehr ehrgeizig“ seien – nichts zu entscheiden wäre der Fehler. „Das kann ich nicht verantworten.“ Es gebe keinen Grund, den erreichten Planungsstand „durch ein Moratorium zu gefährden“.

Verdi spielt nicht mit

Linnert legte in der Parlamentsdebatte nach, wurde deutlicher: „Die Personalkosten sind Makulatur.“ Der „Masterplan“ rechnet damit, dass der Abbau von 801 Stellen zu der Personalkosten-Einsparung führt, über die langfristig – 30 Jahre – die Neubaumiete finanziert werden kann. Aber wie die medizinische Versorgung, wo die Stellen gestrichen werden sollen, erhalten werden soll, das alles steht in den Sternen. Die Gewerkschaft Verdi soll zudem einem „Zukunfts-Sicherungs-Tarifvertrag (ZuSi) zustimmen, der Lohneinbußen zwischen vier und sechs Prozent ermöglicht. Verdi denkt bisher nicht daran, darüber auch nur zu verhandeln.

Keine Kultur der Kontrolle

Röpke antwortete in der Parlamentsdebatte auf die konkreten Fragen nicht. Sie verwies auf die umfangreichen fachlichen Prüfungen.

Aber die hätten alle am Klinikum Mitte stattgefunden, dessen Interessenlage klar sei, kontert Linnert. Der Zeitdruck sei „aufgebauscht“, und: „Wer heute mit dem Zeitdruck wedelt, will sich vor Argumenten schützen.“ Warum wurden beim Gesundheitsressort die seit Monaten eingehenden Beschwerden und Hinweise nicht ernst genommen? Warum gingen Mitarbeiter des Klinikums Ost, die so mutig waren, im Ressort über ihre internen Kenntnisse zu „plaudern“, mit dem Eindruck nach Hause: „Das will man nicht hören?“ Eben das Prinzip „Augen zu und durch.“ Ein krasses „Versagen der Fachabteilung“ konstatiert Linnert. Und fragte: Hat da jemand „persönliche Interessen der Karriere in der Holding“?

„Staatsrat Knigge hat dafür gestanden, unangenehme Fragen so lange klein zu quatschen bis man irgendwann entnervt aufgibt“, setzt Linnert nach. Bei auftauchenden Schwierigkeiten sei die Devise im Ressort gewesen: „Weggucken – schnell weg.“ Das sei die „Kultur, auf deren Basis das gedeihen konnte, was passiert ist“ – eben die über Monate fehlende Kontrolle des Geschäftsführers in Bremen-Ost.