Der Erinnerung den roten Teppich ausgerollt

Warum nur das ausstellen, was sowieso allen als bedeutend gilt? In der experimentellen Sonderschau „Meine Sache“ versammelt das Bremer Focke-Museum vieles, was alltäglich ist – und doch die bremische Geschichte des vergangenen Jahres erzählt

Auch Joschka Fischers Minister-Turnschuhe stehen schließlich im Museum. Da wollte sich Willi Lemke, der zum SPD-Bildungssenator mutierte Werder-Manager, nicht lumpen lassen. Und hat seine Jogging-Schuhe dem Bremer Focke-Museum vermacht. Dort zieren sie derzeit die Ausstellung „Meine Sache. Bremens Gegenwart“.

Hier ist versammelt, was 2005 für die BremerInnen von Bedeutung war. Alltägliches – das von jüngster Stadtgeschichte kündet. Von ganz persönlichen Erlebnissen – oder eben von großen Ereignissen. Und so sind auch die ausgelatschten Treter von Willi Lemke ein solcher „Erinnerungsträger“: Er hat sie im vergangenen Jahr beim Bremer Stadtmarathon getragen, dem ersten seit langen Jahren.

63 solcher Objekte konnte das Focke-Museum in der Bremer Bevölkerung akquirieren, mehr als 200 wurden zuvor begutachtet, auf ihre Geschichts- und Geschichtenträchtigkeit geprüft. Eine kleine Auswahl, wie die Ausstellungsmacher vorrechnen: Fünf Milliarden persönliche Gegenstände, so schätzen sie, sind in Bremen versammelt.

In Szene gesetzt hat das Experiment Museums-Direktor Jörn Christiansen selbst, gemeinsam mit sieben seiner Studierenden des Master-Studiengangs „Kunst- und Kulturvermittlung“ an der Bremer Universität. Er nennt es ganz unbescheiden: ein „Museum der Gegenwart“. Ein Ort, 380 Quadratmeter groß, der „Ehrfurcht vor dem Alltäglichen“ vermitteln soll. Und so rollt das Museum seinen Exponaten denn auch den roten Teppich aus, platziert sie auf kleinen Podesten, jedes für sich.

Und doch erscheint nicht jedes der Ausstellungsstücke wirklich zwingend, kündet dafür – wie die Lesebrille der Stadtbibliotheksdirektorin – von der Eitelkeit des Leihgebers oder der Leihgeberin. Aber wollen nicht auch die Stifter teurerer Exponate sich museal verewigt wissen?

Bei manch einem Exponat wiederum erzählt der Begleittext mehr als das eigentliche Erinnerungsstück. Henning Scherfs Eichentisch etwa, an dem er bis zu seinem Rücktritt als Bremer Bürgermeister regelmäßig seine SenatorInnen versammelte. „Harmonisch“ heißt es dazu in Scherfs Text. Und dann gerät er ins Schwärmen: Hier habe es „nie ein Oben und Unten“ gegeben, schreibt der Patriarch, der hier stets „als einer unter Gleichen“, regiert haben will, „niemals abgeschirmt“ und immer der „hanseatischen Tradition“ verpflichtet. Manches verblasst eben in der Erinnerung, auch wenn sie erst ein Jahr alt ist.

Zu Wort kommen sollen aber nicht allein die Mächtigen und üblichen Verdächtigen. Sondern auch diejenigen, die „leidend“ an der Geschichte beteiligt waren, wie Christiansen betont. So wie die Angehörigen von Laye-Alama Condé, der bei einem Brechmitteleinsatz der Polizei ums Leben kam. Sie haben ein T-Shirt mit dem Bild des Schwarzafrikaners gestiftet. Getragen am 15. Januar 2005 bei einer Demonstration.

„Museen tun sich schwer, so etwas zu sammeln“, sagt der Museums-Direktor. Statt dessen hielten sie es „wie mit dem guten Schinken“: Gut abgehangen muss es sein. Jan Zier

Bis 29.10. im Focke Museum in Bremen