Deutsche Häfen sollen Frieden schließen

Eine Neuausrichtung der deutschen Hafenpolitik empfiehlt ein Gutachten für das Bundesumweltministerium. Bund und Küstenländer sollen den Konkurrenzkampf der Seehäfen beenden und ihre Investitionen untereinander abstimmen

AUS HAMBURG SVEN-MICHAEL VEIT

Deutschland braucht eine abgestimmte und integrierte Hafenpolitik an Stelle der bisherigen Standortkonkurrenz. Das ist die Kernaussage des Gutachtens „Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen Seehafenkonzeption“, welches das Bundesumweltministerium jetzt veröffentlichte. Die bisherige Praxis der regionalen Standort- und Wirtschaftsförderung müsse demnach „zugunsten einer Politik der Entwicklung des Seehafenstandorts Deutschland in seiner Gesamtheit zurücktreten“.

Mit dieser Aussage wird ein vernichtendes Urteil in gesetzte Worte gekleidet. Nur in der Kooperation der größten deutschen Häfen Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven sieht das Papier Entwicklungschancen, „die der ökonomischen Effizienz und der ökologischen Tragfähigkeit Rechnung tragen“. Der extreme Wettbewerb der deutschen Nordseehäfen untereinander müsse gesteuert und das Auftreten gegenüber den Hauptkonkurrenten Rotterdam und Antwerpen abgestimmt werden. Nur so könnten die deutschen Häfen „als starker Player auf dem Weltmarkt“ bestehen, so die Institute ProgTrans und Prognos, die die Studie erstellt haben. Rotterdam ist Spitzenreiter beim Güter- und Containerumschlag, vor Hamburg und Antwerpen. Die beiden bremischen Häfen folgen mit weitem Abstand.

Das Gutachten war Ende 2004 vom damaligen Umweltminister Jürgen Trittin in Auftrag gegeben worden. Der Grüne hatte sich mit der Forderung nach einer nationalen Seehafenkonzeption in der rot-grünen Bundesregierung gegen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Verkehrsminister Manfred Stolpe, beide SPD, durchsetzen können. Damit sollte der Wettlauf der Hafenstädte um Bundessubventionen für den Ausbau ihrer Kapazitäten und die Vertiefungen der Flüsse Elbe und Weser gestoppt oder zumindest gesteuert werden.

Das Gutachten bestätigt dies nun. Die rasante Entwicklung vor allem des Container-Schiffverkehrs seit Anfang der Neunzigerjahre habe „dazu geführt, dass – beinahe überstürzt – in allen Seehäfen enorme Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten gesteckt“ wurden. Allerdings völlig planlos. So fehle bislang bei allen Kosten-Nutzen-Analysen die Einbeziehung der Folgekosten, monieren die Gutachter.

Ihre Rezepte klingen nach Entwicklungshilfe für Bananenrepubliken. Bevor der Bund künftig Infrastrukturprojekte in den Häfen mit Milliardensummen bezuschusse, „muss nachgewiesen werden, dass die Planung länderübergreifend abgestimmt ist“. Voraussetzung dafür sei eine unabhängige Marktbeobachtung durch neutrale Sachverständige. Außerdem empfehlen sie einen „Gesprächskreis Seehafenstandort Deutschland“ zwischen Bund und Küstenländern.

Das inzwischen von dem niedersächsischen Sozialdemokraten Sigmar Gabriel geleitete Umweltministerium will diese Empfehlungen offenbar aufgreifen. Das Gutachten werde in einen Masterplan Güterverkehr und Logistik einfließen, teilt das Ministerium mit.